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Markt - Leasing

Die Gefahren vs. die Chancen des Leasings, Teil 2

Die Entwicklungen im Leasing-Geschäft vollziehen sich sehr schnell. Gerade in jüngster Zeit haben sich Rahmenbedingungen so geändert, dass sie einen genauen Blick wert sind. Dabei ist die Bewertung keineswegs so leicht.

Vermeintlich einfache Veränderungen haben komplexe Konsequenzen, die zu überblicken nicht so einfach ist. In den letzten Wochen und Monaten hat der Leasing-Markt so manche Überraschung bereitgehalten, die jetzt erst ihre Auswirkungen zeigt. Manches entfaltet seine Wirkung bereits, anderes ist in seiner Bedeutung noch gar nicht richtig einzuschätzen.

Leasing-Ausschluss bringt Marken unter Druck

Die Situation, dass einzelne Marken und ihre Räder nicht mehr geleast werden können, wurde bereits im ersten Teil angesprochen. Dieser Aspekt verdient aber noch etwas mehr Beachtung. Es geht darum, dass (in unklarem Umfang) gewisse Marken (nach unklaren Kriterien) nicht mehr für Leasing-Verträge zugelassen werden. Das geschieht offenbar noch nicht umfassend, ist aber auch kein Einzelfall mehr. Neben der Einflussnahme der Leasing-Provider auf den Verkauf einer Marke und den unklaren Kriterien, nach denen dies entschieden wird, lohnt es sich, die Bedeutung dieser Maßnahme genauer anzusehen.
In den bisher bekannten Fällen, in denen eine Marke nicht mehr im Leasing zu finden ist, fand keine Kommunikation statt. Die Hersteller wurden nicht informiert und über den Handel darauf gestoßen, dass ihre Räder vom Leasing ausgeschlossen sind. Rückfragen führten zu keiner klaren Aussage, wie man auf der Ausschlussliste gelandet ist, schon gar nicht, wie man da wieder herauskommen könnte. Ein Kriterium scheint zu sein, dass sich Leasing-Anbieter Gedanken machen, ob eine Marke in drei Jahren noch bestehen wird. Das dürfte eine mindestens schwierige Einschätzung sein, aber vor schwierigen Entscheidungen haben Leasing-Provider eher keine Scheu.
Konsequenzen hat das auch für den Handel. Man stelle sich vor, dass man eine Kundin eine Stunde lang zu einem Rad berät, sie sich schließlich zum Kauf entscheidet und dann beim Anlegen des Leasing-Auftrags auffällt, dass die Marke nicht mehr über den jeweiligen Provider verfügbar ist. Verschwendete Zeit, die einem niemand zurückgibt und sowohl auf die Marke als auch den Laden negativ abfärbt. Diese Situation ist bereits so vorgekommen. Die betroffenen Händler haben natürlich nachgefragt, wie sie diese Situation vermeiden können, und um eine Positivliste an Marken gebeten, aber bisher keine bekommen. Dies ist ein Zustand, der so nicht bleiben kann und sich sicher ändern wird. Natürlich muss man wissen, was man über Leasing verkaufen kann und was nicht.

Es wird erwartet, dass im Jahr 2025 erstmals eine sechsstellige Zahl an Leasing-Rückläufern auf den Gebrauchtmarkt rollt.

Zudem gibt es durchaus eine Negativliste von Marken, die ausgeschlossen sind. Bei einem Leasing-Provider bestehe die Liste aus einer dreistelligen Zahl an Marken. Dabei handle es sich mitunter um bekannte Namen, sehr kleine Spezialisten und manche kuriose Importmarke, aber abgesehen von den jüngsten Insolvenzen seien anscheinend keine großen, fachhandelsrelevanten Marken vertreten – berichtet der Branchen-Flurfunk.

Insolvenzmasse wird unattraktiver

Ein Kriterium für den Ausschluss vom Leasing ist wie bereits erwähnt auch die Insolvenz eines Unternehmens. Das schlägt auf zwei Ebenen durch. Für Händler wird das Geschäft mit Postenware damit viel weniger interessant. Wenn 40 bis 50 Prozent des Fahrradmarktes über das Leasing läuft, und diese knappe Hälfte fehlt, dann hat man ein Abverkaufsproblem. Dem jeweiligen Händler muss also klar sein, dass er die so günstig erworbene Ware nur bar oder über andere Finanzierungsmodelle verkaufen kann. Das verzögert also den Weiterverkauf. Damit entwertet es auch unmittelbar die Insolvenzmasse noch stärker als ohnehin, denn schlechte Verkäuflichkeit mindert den erzielbaren Preis.
»Postenware« muss nicht unbedingt »Insolvenzmasse« bedeuten. Bekanntermaßen gibt es in Lagerhäusern rund um die Welt noch eine größere Zahl an Rädern, die nach Abnehmern suchen. Wer gerade liquide ist, bekommt diese Räder aktuell mitunter zu sehr guten Konditionen. Das Problem dabei für die Marken könnte werden, dass die Rückläufer-Verwerter wenig Lust auf Ware haben, die sie nach einem Refurbishing nicht zu kostendeckenden Preisen wieder verkaufen können. Hier müssten also Hersteller perspektivisch beachten, dass sie rechtzeitig wieder auf reguläre Preisniveaus kommen. Als Marke kann man insgesamt schon ins Grübeln kommen, wie die eigenen Umsätze und die eigene Reputation plötzlich so angreifbar geworden sind durch das Leasing.

Unübersehbare Folgen von höheren Restwerten

Eine weitere neue Entwicklung, die das Leasing gerade anstößt, sind höhere Restwertvereinbarungen. Statt also wie bisher im Bereich von 10 bis 18 Prozent des einstigen Werts das geleaste Fahrrad oder E-Bike übernehmen zu können, werden bei neuen Leasing-Vereinbarungen aktuell von einzelnen Anbietern Restwerte von 30 Prozent und mehr angesetzt. Bis zu 40 Prozent soll der Wert reichen. Das hat große Bedeutung.
Bisher war für Verbraucher und Verbraucherinnen ein wesentlicher Entscheidungsgrund für das Fahrrad-Leasing der Umstand, dass sie das Fahrzeug nach drei Jahren zu einem Schnäppchenpreis in den eigenen Besitz übernehmen konnten. Praktisch haben weit über 90 Prozent der Leasing-Nehmenden dieses Angebot angenommen. Das bisherige Paket passt also. Bei 30 Prozent darf man annehmen, dass schon deutlich mehr Menschen am Ende der drei Jahre ins Grübeln kommen. Bei 40 Prozent darf man vermuten, dass der Bogen überspannt und so gut wie niemand mehr diese Räder übernehmen wird.
Die Gründe für die Anhebung sind aus der Sicht der Leasingprovider recht klar: Zum einen kann man natürlich ausreizen, wie weit die Kundschaft bereit ist, das liebgewonnene Bike zu bezahlen. Denn auch an diesem Aspekt verdienen sie ja Geld. Zum anderen sinken auf diese Weise die monatlichen Leasing-Raten für die Arbeitnehmenden. Gerade im Vergleich zum Automobil-Leasing wirken dreistellige Leasingraten für ein Fahrrad auf den ersten Blick recht hoch. Trotzdem: Eine solche Maßnahme ist nicht bloß Kosmetik und Profitoptimierung, sie hat viel weitreichendere Konsequenzen.

Gebrauchtmarkt nimmt an Bedeutung zu

Teurere Übernahmeangebote führen naheliegend zu mehr Rückläufern bei den Leasing-Anbietern und ihren Verwertern. Diese haben bereits jetzt alle Hände voll zu tun. Sie bauen ihre Kapazitäten aus, weil sie wissen, welche Warenwelle in den nächsten Jahren zu ihnen zurückrollen wird. Angesichts von knapp einer Million pro Jahr verleasten Rädern in den letzten zwei Jahren (genaueres für das Jahr 2024 wird wohl schon bald zu erfahren sein), lautet die Erwartung, dass schon im laufenden Jahr 2025 erstmals eine sechsstellige Zahl an Rückläufern, sei es über ausgelaufene Verträge oder Störfälle, auf den Gebrauchtmarkt kommen wird. »Gebraucht« heißt hier: höchstens drei Jahre alt, regelmäßig gewartet, praktisch immer im hochwertigen Segment. Diese Art von »gebraucht«, professionell vermarktet über spezialisierte Gesellschaften, hat in sechsstelliger Zahl auch einen Einfluss auf den Neuverkauf.

Hersteller vor neuen Herausforderungen

Bisher mussten sich Hersteller noch wenige Gedanken machen, was mit ihren Rädern nach dem Verkauf geschieht – mal von einem grundsoliden After-Sales-Service abgesehen. Aber diese Dimension an »jungen Gebrauchten« ist neu. Wo will man, dass diese Räder angeboten werden? Räder, die es als Produktlinie vielleicht auch noch in neu zu kaufen gibt? Wenn tatsächlich der (derzeit noch unwahrscheinliche, weil nicht flächendeckende) Fall einträte, dass über höhere Restwerte ein Großteil der Ware nach drei Jahren wieder auf den Markt kommt: Was macht das mit der Produktentwicklung? Wie will man sich im Gebrauchtmarkt positionieren? Kommt man überhaupt an diese Räder selbst wieder ran? Will man das?


Vermeintlich kleine Entscheidungen auf dem Leasing-Markt werfen lange Schatten voraus.

Selbst die Premium-Marken aus der Automobilwelt haben auf ihren Webseiten einen prominent platzierten Menüpunkt »Gebrauchtwagen«. Im Fahrradbereich fehlt das noch völlig. Ob so etwas kommt, hängt auch von den Entwicklungen im Handel ab.

Handel vor unklaren Aussichten

Erst mal klingt es nicht so schlecht für den Handel, wenn man alle drei Jahre planbar an die immer gleichen Kundinnen und Kunden neue Fahrräder und E-Bikes verleasen könnte. Es klingt sogar super. Das wäre der Fall, wenn niemand mehr die Räder übernehmen würde und wie im Automarkt immer wieder neu least. Aber das würde so eher nicht passieren. Wahrscheinlich entstünde ein kurzfristiger Effekt, bis die erste große Gebrauchträderwelle zurückschwappt. Und dann würden viele Verbraucher überlegen, was angesichts ruinierter Gebrauchtmarktpreise für sie günstiger und »gut genug« ist. Aber an dieser Stelle ist man ganz nah an den Kaffeesatz herangerückt. Aktuell vermag vermutlich niemand zu überblicken, welche Lawine an Konsequenzen eine solche Entwicklung für den Handel nach sich zöge.
Zusammengefasst: Ein paar Strategen aus der Leasing-Welt entscheiden, aus der Zahl 17 eine 30 oder 40 zu machen, und lösen so in einer anderen Branche eine Strukturverschiebung aus, die es in sich hat. Das könnte passieren. Vielleicht bemerken sie aber, dass sie die entstehende Flut an Rückläufern nicht beherrschen können. Auf jeden Fall zeigt sich, welche mächtigen Hebel in den Händen der Leasing-Gesellschaften liegen.

Zunehmende Konkurrenz unter den Leasing-Anbietern

Eine ebenfalls noch junge Entwicklung ist der Umstand, dass sich Arbeitgeber inzwischen nicht mehr auf Exklusivität mit einem Leasing-Provider festnageln lassen. Warum nicht noch einen zweiten und dritten Anbieter ins Boot holen? Das erhöht den Konkurrenzdruck unter den Leasing-Gesellschaften und schafft Chancen und Dynamik. Die Folge dürfte sein, dass die Margen der Leasing-Provider weiter unter Druck kommen. Druck, der dazu führen kann, dass weitere mutige bis hemdsärmelige Entscheidungen getroffen werden. Vielleicht müssen sie auch ihr Geschäftsmodell überarbeiten, wenn absehbar wird, dass die aktuelle Konstellation für sie auf Dauer nicht mehr funktioniert.
All diese Entwicklungen bergen erhebliches Konfliktpotenzial. Wo sich Dinge verschieben, entsteht Reibung. Ob sich eine Konstellation finden lässt, die weiter für alle profitabel ist, wird die Zukunft zeigen. Wenn einmal einseitig Weichen gestellt sind und sich Wirkungen entfalten, droht Konfrontation statt Kooperation. Noch ließe sich das vermeiden. //

28. März 2025 von Daniel Hrkac
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