
Business Navigator - Unternehmerlohn
Die Lektionen des Unternehmerlohns
Unternehmensberater Andreas Lübeck ist durch seine Arbeit in einer Erfa-Gruppe erstmals auf dieses Thema aufmerksam geworden. Die Mitglieder der Gruppe hatten angefangen, ihre Arbeitszeiten auf-zuschreiben. »Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Unternehmer und Selbstständige einfach arbeiten, arbeiten, arbeiten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie viel sie eigentlich arbeiten. Und das war immer wieder Thema in dieser Gruppe.« Einige unter ihnen fingen an, für sich selbst eine Zeiterfassung einzuführen. »Das hat mich dann auf die Idee gebracht, einen Unternehmerstundenlohn auszuweisen.«
Damit hatte er einen Hebel gefunden, um einerseits die Aufmerksamkeit der Händler und andererseits auch einige bemerkenswerte Einsichten zu bekommen. »Wenn sie gesehen haben, dass ihr eigener Stundenlohn zum Teil deutlich unter dem ihres einfachsten Mitarbeiters lag – spätestens da sind sie wach geworden.« Doch bereits vor diesem Punkt gibt es vieles zu erkennen.
Bereits bei der Zeiterfassung tun sich gewaltige Unterschiede bei den jeweiligen Unternehmern auf. Im Business Navigator finden sich Werte zwischen 1600 und 2500 Arbeitsstunden im Jahr. Schon bei diesen Angaben muss man genau hinschauen.
Bewusste Entscheidung, wo man die Linie zieht
Es gibt natürlich einen Graubereich bei der Stundenerfassung, auf den Thorsten Larschow, Fahrradhändler in Cuxhaven, hinweist. »Wenn ich im Urlaub jeden Tag noch eine Stunde Mails checke, dann trage ich auch eine Stunde Arbeit ein.« Aber es gebe auch Umstände, wo die Abgrenzung schwerfällt. »Der Neujahrsempfang, die Einladung vom Unternehmerverband, sind auch originäre Unternehmeraufgaben, aber da trage ich keine Arbeitszeit ein«, führt Larschow aus. Was man als Arbeitszeit empfindet, ist auch individuell verschieden. »Es ist wirklich schwierig zu entscheiden, wo genau man die Linie ziehen will«, sagt Lübeck. Was man zur Arbeitszeit zählt, ist auch im Business Navigator nicht bis ins Detail definiert.
»Ganz grundsätzlich sollte jeder Unternehmer, der für seine Mitarbeiter eine Zeiterfassung macht, in der Lage sein, das auch für sich selbst zu tun«, hält Uwe Wöll, VSF-Geschäftsführer, fest. Das habe nicht zuletzt den Vorteil, dass man »die Projekte, die man anfasst, auch unterscheiden kann. Wie viel Zeit stecke ich in administrative Aufgaben, wie viel in strategische. Das hilft auch dabei, eine Eigenkontrolle zu behalten.« »Wenn man sich selbst nicht zu einer wie auch immer gearteten Zeiterfassung zwingt, dann funktioniert es nicht«, beobachtet Lübeck in der Praxis, »dieses Rückwärtsschätzen, haben wir festgestellt, liegt oft sehr daneben.«
Die zeitliche Komponente enthält auch eine Aussage, was das für das eigene Leben und die eigene Lebensqualität bedeutet. »Arbeite ich hier wirklich effizient oder beute ich mich einfach nur brutal aus?«, fragt Lübeck etwa. Auch familiäre Belastungen durch nicht endende Arbeitstage sind keine Seltenheit. Das geschehe leicht, wenn »man einfach unendlich viele Stunden in sein Unternehmen rein investiert und alles andere im Leben total vernachlässigt«. Diese Situation hat Lübeck schon oft miterlebt. Der Extremwert, der bisher im Business Navigator aufgetaucht ist, lag bei knapp 3000 Stunden. »Die Masse der Unternehmer liegt bei 2000, 2100 Arbeitsstunden im Jahr«, sieht Lübeck, »ab 2200« sollte man überlegen, ob man einen Gang rausnehmen will.
Uwe Wöll, VSF-Geschäftsführer, gibt zu bedenken, dass man bei einem Arbeitnehmer üblicherweise von 220 Arbeitstagen ausgeht. Die 1650 Stunden sind also »in etwa so viel wie bei einer Vollzeitstelle. Für einen Unternehmer ist das relativ wenig beziehungsweise ist er so gut organisiert.« Hier müsse man aber aufpassen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleiche. Das Selbstverständnis und das eigene Gefühl dazu unterscheiden sich zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer mitunter. Der Unternehmer und die Unternehmerin sollten nach Wölls Überzeugung daraus etwas anderes mitnehmen: »Die eigentliche Zahl, die da rauskommt, ist gar nicht so wichtig. Die Kennziffer gibt eher einen Anhaltspunkt, eine gewisse Range, in der man sich bewegen sollte. Alles andere müsste eine Warnung sein.«
Auch wenn sich Unternehmeraufgaben von Arbeitnehmeraufgaben deutlich unterscheiden können, geht es nicht zuletzt auch ums liebe Geld. »Wir müssen viele Leute aufwecken, die einfach zu wenig Unternehmerlohn pro Stunde kriegen«, sieht Larschow. »Die müssen sich dann fragen: ›Was muss ich hier ändern?‹ Deswegen finde ich die Zahl total wichtig im Business Navigator.«
Die Berechnung des Unternehmerstundenlohns ist laut Lübeck, im Unterschied zu anderen Kennzahlen im Business Navigator, ausgesprochen einfach: »Das ist der absolute Gewinn des kompletten Unternehmens, geteilt durch die Stunden, die der Unternehmer geschrieben hat oder anrechnet.« Dieser Lohn muss naturgemäß höher liegen als der des Azubis oder der Hilfskraft, denn der Unternehmerlohn steht ihm nicht wirklich in dieser Höhe zur Verfügung. »Von dem Gewinn des Jahres muss der Unternehmer auch künftige Investitionen stemmen«, stellt Lübeck klar, »allein deshalb ist das schon nicht der echte Gewinn.« Auf diese Weise relativieren sich Stundenlöhne von 160 Euro, die im Business Navigator zu finden sind, recht schnell wieder. Dort finden sich aber auch Stundenlöhne von 30 bis 40 Euro, bei denen die Unternehmer sagen, dass sie damit über die Runden kommen. »Da muss man dann sagen: Das reicht nicht. Du musst Rücklagen bilden als Unternehmer, weil du in Zukunft investieren musst.«
Das, was sich ein Unternehmer monatlich auszahlt, hat damit erst mal nichts mit dem hier berechneten Unternehmerstundenlohn zu tun. Ist etwa der Händler auch Geschäftsführer seiner eigenen GmbH, muss er sein Gehalt mit den Lohnnebenkosten zum übrigen Gewinn addieren. Erst dann kann er, unter Berücksichtigung der geleisteten Arbeitsstunden, den Unternehmerstundenlohn errechnen. Wenn nach einem guten Jahr der Unternehmer im Folgejahr in das Geschäft investiert, dann sinkt wahrscheinlich und absehbar durch die Ausgaben der Unternehmerstundenlohn, auch wenn der Gehaltsscheck gleich hoch bleibt.
»Ab spätestens 10 Mitarbeitern sollte der Unternehmer gar nicht mehr oder nur noch sporadisch im Verkauf auftauchen.«
Andreas Lübeck, Lübeck-Beratung
Wenn man die eigene Arbeitszeit als Unternehmer erfasst hat, dann kann man, wie von Wöll empfohlen, im nächsten Schritt nachverfolgen, wofür man die Zeit aufgewendet hat. »Ganz viele Unternehmer arbeiten im Jahr 80 oder 90 Prozent als Fachkraft«, stellt Larschow dazu fest, was auf das Unternehmen auch großen Einfluss hat. »Die bearbeiten ja nur 150–200 Stunden im Jahr Unternehmeraufgaben und arbeiten den Rest 1900 Stunden als Fachkraft, weil sie Fahrräder verkaufen oder Fahrräder besorgen.« Auch das müsse man im Betrieb hinterfragen. Wer nur vier bis sechs Wochen im Jahr wirklich als Unternehmer arbeitet, kann den eigenen Betrieb eventuell nicht so entwickeln, wie das vielleicht beabsichtigt ist. Doch eine Orientierung, wie viel Zeit in originäre Unternehmeraufgaben gehen sollte, gibt es auch nicht. »Das hängt von der Größe des Unternehmens ab«, erklärt Lübeck. »In einem Zwei-Mann-Betrieb wird es gar nicht anders gehen, als dass der auch verkauft. Aber ab spätestens 10 Mitarbeitern, würde ich sagen, sollte der gar nicht mehr oder nur noch sporadisch im Verkauf auftauchen.« Es gelte die Einsicht, die Larschow schon vor Jahren angebracht hat: »Als Unternehmer arbeite ich am Unternehmen und nicht im Unternehmen.«
All diese Aspekte sind für Lübeck der eigentliche Mehrwert an der Berechnung des Unternehmerstundenlohns. »Die Diskussionen, die um das Thema herum geführt werden, führen wirklich zum unternehmerischen Denken«. Uwe Wöll formuliert es so: »Bei Unternehmerstunden geht es eigentlich nicht darum, dass man direkt miteinander vergleicht, was jeder verdient, sondern dass es eine Diskussionsplattform gibt, die aufzeigt, wo jeder gerade steht.«
Doch der oberflächliche Redakteur will natürlich trotzdem wissen, wo die Eurowerte liegen können: So seien auch mal 400 Euro Unternehmerstundenlohn im Business Navigator zu sehen gewesen. So mancher Händler hat aber schon ein Jahr erlebt, in dem der Wert in den negativen Bereich gerutscht ist.
Andreas Lübeck ist es sehr wichtig, dieses Bild geradezurücken: »Wer ein herausragendes Jahr hat, investiert vielleicht sofort in den Ladenbau. Und im Folgejahr bricht das Geschäft dann richtig ein. Der Unternehmer arbeitet dann wahrscheinlich immer noch sehr viel, weil er den Einbruch mit persönlichem Engagement aufzufangen versucht. In diesem Jahr geht der Unternehmerstundenlohn damit richtig in die Knie.« Weil dieser also von extrem unterschiedlichen Faktoren abhängig ist, ist es seiner Ansicht nach nicht nützlich, eine Bandbreite zu nennen. Das wirklich Fruchtbare am Unternehmerstundenlohn ist die Diskussion, die er ermöglicht.
Trotzdem muss der Stundenlohn der Unternehmer, eben wegen der notwendigen Investitionen, »immer weit höher sein als das, was man sich für seinen Lebensunterhalt so vorstellt«, erklärt Lübeck. Er ist auch Feedback für den Betriebserfolg und ein hartes Kriterium, ob man auf dem richtigen Weg ist. »Wenn du drei, vier Jahre hintereinander 25 oder 30 Euro da stehen hast, dann macht die ganze Sache ja gar keinen Sinn«, sagt Larschow.
Betriebswirtschaftliche Sicht ist wichtiger geworden
Wie wichtig das für Unternehmer ist, erklärt Uwe Wöll aus der Fahrradhandelshistorie seit den Neunzigerjahren. Wer nicht aufpasst, endet womöglich in einer prekären Situation: »Ganz viele Unternehmer und Unternehmerinnen haben sich über Jahrzehnte hinweg Unternehmerlöhne ausgezahlt, die unterhalb von 20 Euro lagen, und auch ihre dauerhaften Gewinnaussichten waren entsprechend gering. Weil sie keine Zeiterfassung hatten, haben sie auch gar nicht angefangen, darüber nachzudenken, ob sich der hohe Einsatz, der hohe Aufwand, die maximale Belastung überhaupt lohnen. Diese Unternehmer haben dann nicht nur über Jahrzehnte wenig verdient, sondern auch keine Rücklagen für ihren Ruhestand gebildet. Die gehen in die Rente und stecken dann in einer prekären Situation. Davon kennen wir wirklich einige.«
Doch diese Beispiele der Vergangenheit haben im Fahrradhandel zu einem Wandel geführt. »Das hat sich ein bisschen verändert. Die betriebswirtschaftliche und unternehmerische Sicht ist wichtiger geworden. Die Menschen in der Branche bekommen über die Erfa-Arbeit und auch über den Business Navigator Klarheit in ihrer Tätigkeit.«
Der Blick auf den Unternehmerlohn ist also keine Einladung zum Ego-Trip, sondern ein Anstoß, sich mit der eigenen Arbeit auf mehreren Ebenen tiefer auseinanderzusetzen. //
für unsere Abonnenten sichtbar.