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Business Navigator - BWA-Auswertungen

Die Stunde der Wahrheit

Jeden Monat kommt vom Steuerberater die BWA (betriebswirtschaftliche Auswertung) und für die meisten Handelsbetriebe ist das der Zeitpunkt, sich für einen Moment mit den aktuellsten Geschäftszahlen auseinanderzusetzen. Doch das wäre nicht die Fahrradbranche, wenn es nicht einige Besonderheiten zu beachten gäbe.

Der Steuerberater schickt die Zahlen, man wirft einen (mehr oder weniger) zufriedenen Blick auf den Umsatz, nickt kurz und geht wieder zum Tagesgeschäft über. So ungefähr könnte man mit diesem monatlichen Zahlenüberblick verfahren – und würde einige Einsichten verpassen, die in den Zahlen enthalten sind. Für diese Einsichten gilt es aber zunächst die Voraussetzungen zu schaffen.
»Die ersten Probleme lauten: Welche BWA-Zahlen sind die richtigen und wo kommen sie her?«, fragt Thorsten Larschow, der seine BWA vom Steuerberater direkt in den Business Navigator einspielen lässt. »Da muss man mit den Steuerberatern schon viel Abstimmungsarbeit vornehmen. Das ist nicht ganz selbstverständlich, wo etwas dazugehört und wie das passt.«
Doch was haben selbst erfahrene Steuerberater nicht sofort im Blick, wenn es um den Fahrradhandel geht? »Also der ganz entscheidende Punkt, den ich immer wieder erlebe, ist, dass der Steuerberater nicht die Warenbestandsveränderungen mit pflegt«, erklärt Unternehmensberater und Business-Navigator-Schöpfer Andreas Lübeck. »Das muss man denen immer wieder sagen. Das ist gerade in der Fahrradbranche extrem wichtig.« Während beispielsweise der Lebensmittelhandel über das Jahr nur minimale Veränderungen im Warenbestand hat, und viele andere Branchen ähnlich strukturiert sind, ist das in einem Fahrradgeschäft anders. »Im Fahrradhandel, insbesondere in den letzten zwei Jahren, können die Warenbestände von Monat zu Monat extrem schwanken«, verdeutlicht Lübeck.

Bestandsveränderungen machen den Unterschied

»Die BWA ist ja die Stunde der Wahrheit. Ganz unten sollte irgendwo stehen, wie viel Geld ich in diesem Monat oder in diesem Jahr bis zu diesem Monat verdient habe. Wenn die Bestandsveränderung nicht drin ist, wenn also ganz viel Geld in die Bestandserhöhung hineingeflossen ist, was ja durchaus nicht unwahrscheinlich ist zu bestimmten Zeiten, dann sagt diese Zahl unten überhaupt nichts aus. Gar nichts.« Man könne dann zwar noch die Kosten erkennen, sofern sie richtig erfasst wurden, aber »die eigentliche Aussage: Habe ich in diesem Jahr oder in diesem einen Monat Geld verdient? Diese Aussage habe ich nicht.«
Uwe Wöll, VSF-Geschäftsführer und selbst erfahrener Fahrradhändler, weist darauf hin, wie wichtig dieser Punkt ist. »Wenn man Unternehmer ist oder einen Betrieb hat, dann weiß man ja, wie der Umsatz in einem Monat gewesen ist. Das verfolgt man ja eigentlich permanent. Es gibt keine Überraschung.« Ob Personalplanung, Kosten, Marketingausgaben oder Versicherungen, all diese Faktoren sind eigentlich relativ stabil oder vorhersehbar. »Der Faktor, der wirklich danach erzählt, was passiert denn da eigentlich in meinem Betrieb, ist mit dem Wareneinsatz. Und dazu braucht man die Warenbestandsveränderung.« Das sei der Punkt, der den Ausschlag gibt, wie es im nächsten Monat im Betrieb aussieht.
Spannend sind an dieser Stelle am ehesten noch die genaue prozentuale Verteilung der Kosten und die Veränderung der Werte zum Vorjahr, erklärt Larschow. »Das rechne ich mir nicht im laufenden Geschäft aus.«
»Der Vergleich zu den Vorjahreszahlen ist immer wieder interessant«, bestätigt Wöll, denn das eine ist die aktuelle Lage, die man natürlich sieht, das andere die Veränderung, die sich innerhalb eines Jahres ergeben hat.
»Das ist ein wichtiger Punkt, der auch die Brücke zum Business Navigator baut«, macht Lübeck klar, »im Grunde übernehmen wir die BWA-Zahlen in den Business Navigator. Aber warum machen wir das? Es geht um den Vergleich mit den Kollegen. Das eine ist der Vergleich zum Vorjahr, das andere, ob 4 Prozent Raumkosten eigentlich gut oder schlecht sind«. Erst diese Vergleichbarkeit zu haben mit Kolleginnen und Kollegen, die in einer ähnlichen Situation sind, liefert diese Einschätzung.

»Die saubere Erfassung von Zahlen ist der entscheidende Benefit beim Business Navigator.«

Uwe Wöll, VSF

Im Übrigen könne die BWA durchaus auch später noch zu Überraschungen führen. Das geschieht regelmäßig dann, wenn der Steuerberater nachträglich noch Korrekturen vornimmt. So könne es durchaus geschehen, dass in der Bilanz »plötzlich« doch etwas anderes steht als noch in der BWA 12. Größere Veränderungen ergeben sich etwa durch den Punkt Lagerabwertungen, »die dieses Jahr ein Riesenthema sind«, wie Lübeck weiß. Der zweite Punkt, der hier oft für Veränderungen sorgt, sind Abschreibungen. »Die meisten Steuerberater berechnen die Abschreibung immer nur einmal im Jahr«, beobachtet Lübeck. Und auch die Kosten des Steuerberaters selbst mit seinen Abschlusskosten sind Faktoren, die durchaus deutliche Veränderungen hervorrufen können. Allerdings muss man den Jahresabschluss auch von der monatlichen BWA unterscheiden.
Die BWA ist in ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht zu unterschätzen, wie Larschow hervorhebt: »Die BWA ist die Zahlenquelle für unsere Kosten im Navigator. Wir haben ja sonst gar keine Quelle für Kosten.« Doch das ist erst der Einstieg.
»In der BWA bekommt man seine Zahlen ausgespuckt, mit prozentualen Anteilen und Kosten, aber es ist nicht bewertet«, verdeutlicht Wöll, »der Steuerberater kann es ja gar nicht bewerten, weil er gar nicht in der Branche zu Hause ist.« Erst im Vergleich mit der Branche, ihren Benchmarks und Kennzahlen gewinnt man die Orientierung, wo man steht. »Der Business Navigator ist nicht gleich Kennzahlen, aber es ist das Üben oder das Training, das man über den Betriebsvergleich macht. Das ist der Mehrwert und eigentlich das Aufregende an dieser Sache«, verdeutlicht Wöll.
»Dieser Kollegenvergleich ist schon das Entscheidende«, stimmt Lübeck zu. »Auch gute Händler, die schon viele Jahre in der Branche sind und jetzt neu dazukommen, haben diese Benchmarks nicht wirklich im Kopf«, beobachtet Lübeck. Dazu komme der Umstand, dass ohne die akkurate Erfassung und Einordnung der Zahlen gerne Äpfel mit Birnen verglichen werden. Auch hier sorgt der Navigator für Klarheit. »Die saubere Erfassung von Zahlen ist der entscheidende Benefit beim Business Navigator«, wird Wöll nicht müde zu betonen. Wie wichtig es ist, nicht nur ein Gefühl für den Betrieb zu entwickeln, sondern exakte Aussagen treffen zu können, merke man vor allem bei der Werkstattbewertung.

Vergleiche werden erst auf sauberer Grundlage möglich

Mit sauber erfassten Zahlen lassen sich auch die Ausnahmen in der Branche erst richtig erfassen. Lübeck: »Ich denke an den Händler, der extrem hohe Personalkosten hat, weil er überzeugt ist, dass das die Zukunft ist und er in diese investiert. Oder den Händler, der ins digitale Marketing investiert, weil er überzeugt ist, dass dieser Bereich noch viel wichtiger werden wird. Erst im Kollegenvergleich kann man das richtig einschätzen.«
»Das kann ja sein, dass der Juni total schlecht ausgefallen ist«, bringt Larschow ein anderes Beispiel, »aber wenn das überall so war, dann muss ich vielleicht nicht unbedingt bei mir etwas ändern, sondern sehe vielleicht, dass ich am schlechten Wetter nichts ändern konnte.« Für solche Einblicke nehme er den Business Navigator und nicht die BWA.
Wie erwähnt sind sauber erfasste Zahlen in der BWA die Grundvoraussetzung für eine saubere Analyse des Betriebs. Ein aktuell relevantes Pro­blem ist einmal mehr das Leasing und insbesondere das Buchen der gezahlten Leasing-Gebühren. Sind das sonstige Kosten oder Provisionen? Das eine ist einfach eine weitere Kostenart, das andere verändert den Rohertrag. »Es muss Kosten sein«, stellt Lübeck klar, sonst verschiebe sich das komplett. »Der Rohertrag sagt ja aus, wie gut ein Händler seine Ware eingekauft und verkauft hat. Habe ich einen guten Einkauf und gleichzeitig einen guten Verkauf, im Sinne von wenig gegebenen Rabatten? Das ist die eine Kennziffer, die ich nicht verwässert haben will durch Leasing-Firmen, die sich einen hohen Anteil da herausziehen. Ich möchte separat sehen, wie viel mich das Leasing eigentlich kostet.« Diese Einordnung der Leasing-Kosten ist eine recht neue Entwicklung, über die bisher schon viel diskutiert wurde. »Es gibt innerhalb der Kostenarten noch verschiedene Konten, wo man das hinbuchen kann. Wir werden in Kürze dazu übergehen, diese separat auszuweisen«, erklärt Lübeck. Dann werden diese Kosten nicht mehr im allgemeinen Punkt »sonstige Kosten« subsumiert und man weiß genau, wie hoch der Anteil durch das Leasing ist.
»Das ist ja etwas, was die Händler interessiert, wenn sie zusammenkommen: Wie viel Prozent vom Fahrradumsatz habe ich als Kosten für das Leasing?«, sieht Lübeck. Klarheit in den Kennzahlen ist hier elementar.
Die BWA mag ihre Tücken haben, sie ist die Grundlage für eine sinnvolle Betriebsanalyse und über den Business Navigator auch für den Vergleich mit anderen Händlern. Die Auseinandersetzung mit diesem Zahlenwerk lohnt sich. //

26. März 2025 von Daniel Hrkac

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