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Dienstrad – gutes  Geschäft für den Handel
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Schulung - Wie geht Leasing?

Dienstrad – gutes Geschäft für den Handel

Laut einer Umfrage des Bonner Bundesin-stituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung pendelten im Jahr 2015 bundesweit 60 Prozent aller Arbeitnehmer von zu Hause in die Arbeit, sieben Prozent mehr als im Jahr 2000. Sehr viele von ihnen fahren mit dem Auto, stehen im Stau und kommen genervt am Ziel an. Mit dem Dienstrad ist alles anders, vieles besser. Derzeit boomt der Verkauf von Leasing-Fahrrädern. Auch Händler profitieren davon.

Dienstrad – gutes  Geschäft für den HandelDienstrad – gutes  Geschäft für den Handel

Seit 2012 ist das Dienstfahrrad dem Dienstauto steuerlich gleichgestellt. Fahrradhändler können auf zwei Wegen am Leasinggeschäft teilhaben. Entweder stellen sie ein eigenes Konzept auf die Beine oder sie arbeiten mit Dienstleistern, die darauf spezialisiert sind, zusammen.

Angebote der Dienstleister

Jeder Dienstleister hat eigene Konditionen. Bei den meisten gehören neben der kompletten Abwicklung des Leasinggeschäfts ein Versicherungsschutz mit und ohne Selbstbeteiligung, Inspektionen und Reparaturen zum Angebot. Manche bieten eine herstellerunabhängige Fahrradwahl an, andere schränken diese ein, wieder andere haben sich auf E-Bikes spezialisiert. Oft ist auch eine Preisspanne für das Fahrrad vorgesehen. Manche Dienstleister unterstützen Händler beim Marketing oder bieten spezielle Händlerschulungen an. Zum Service aller Anbieter gehören ein Händler-Finder und ein digitaler Rechner, damit alle Beteiligten erfahren können, was ein Dienstrad finanziell bedeutet.
Je nach Serviceumfang arbeiten die Dienstleister für Händler kostenneutral oder sie erheben eine Vermittlungsgebühr. Bei JobRad beträgt diese z.B. maximal sieben Prozent vom Listenpreis des Fahrrads, wobei sie bei 200 EUR netto gedeckelt ist und nur dann erhoben wird, wenn JobRad den Arbeitgeber akquirierte. Klaus Greif von Rad&Tat in Tübingen, der seit ca. dreieinhalb Jahren Diensträder verkauft, sieht darin kein Problem: »Wollten wir es selbst organisieren, würde es uns sowohl an der Logistik als auch an der Manpower fehlen. Die sieben Prozent des Verkaufspreises, die JobRad als Vermittler einbehält, reuen uns da nicht.« Schließlich übernehmen die Dienstleister für die Fahrradbranche auch die Lobbyarbeit gegenüber politischen Entscheidern. Und: Einige Fahrradhersteller, die das Konzept ebenfalls pushen möchten, gewähren bei der Bestellung der Räder Preisnachlässe.

Die Varianten des Leasings

Zahlt der Arbeitgeber steuerbegünstigt die Leasingrate, die Versicherung und die Wartung für das Dienstrad – so wie es beim Dienstauto meist der Fall ist –, muss der Arbeitnehmer nur noch den dadurch erzielten geldwerten Vorteil nach der Ein-Prozent-Regel versteuern.
Zahlt der Arbeitnehmer die Leasing-rate, muss von ihm weiterhin der geldwerte Vorteil versteuert werden. Darüber hinaus wird die Leasingrate von seinem Bruttogehalt abgezogen. Durch diese sogenannte Gehaltsumwandlung sinken der Bruttolohn und damit das zu versteuernde Einkommen sowie die Sozialabgaben – wohlgemerkt für beide, für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber. Laut Dienstleister würden Arbeitnehmer aber trotz Gehaltsumwandlung je nach Steuerlast und Einkommenshöhe bis zu 40 Prozent mit dem Leasingverfahren im Vergleich zu einem privaten Fahrradkauf sparen.

Händler haben gute Argumente

Händler, die Dienstfahrräder anbieten, haben gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern gute Argumente in der Hand. Arbeitgeber kommen mit dem Dienstrad billiger als beim Dienstauto weg, selbst wenn sie die komplette Finanzierung übernehmen. Firmeneigene Parkplätze werden gespart oder anderweitig vermietet. Gleichzeitig profitieren Unternehmen von gesünderen, zufriedenen und motivierten Mitarbeitern; weniger Fehltage kommen dem Betrieb zugute. Gleichzeitig steigern sie als umweltfreundliche, moderne Arbeitgeber ihr Image, das sich auch auf die Mitarbeitergewinnung und -bindung auswirkt. Marion Bundschuh, Inhaberin von mb-rad-sport in Amorbach, einem Ort in Unterfranken mit ca. 4000 Einwohnern, kennt viele Unternehmer persönlich: »Der erste, der mit Dienst-rädern anfing, war ein sozial eingestellter Arbeitgeber nicht weit von hier. Das sprach sich dann herum. Inzwischen machen alle größeren Firmen mit. Das wurde schon fast zur Imagefrage.« Wer dann noch sein eigenes Firmenlogo auf dem Dienstrad platziert, holt das Maximum aus dem Konzept heraus.
Arbeitnehmer können sich mit dem Dienstradkonzept unversehens Bikes leisten, die ansonsten für sie vielleicht unerschwinglich wären. Den Aussagen der Dienstleister nach werden E-Bikes und hochwertige Fahrräder preiswerteren Modellen oft vorgezogen. Marion Bundschuh bestätigt dies: »Wir verkaufen auch Rennräder und Mountainbikes, die zwischen 2000 und 12.000 EUR kosten, als Diensträder.« Händler sollten also entsprechend argumentieren, wenn wieder einmal ein Kunde vor seinem Traumrad steht und wegen des Preises abwinkt. Fahren ohne Stau, den Kopf nach einem anstrengenden Arbeitstag freibekommen und sich gleichzeitig umweltfreundlich von A nach B bewegen, sind weitere Argumente für das Dienstrad. Und: Es kann und soll sogar unbegrenzt privat genutzt werden.

Und so funktioniert es

Egal, ob der Händler einen Kunden dazu animiert, mit dem Arbeitgeber über die Möglichkeit eines Leasingrades zu sprechen oder ob der Kunde schon in das Geschäft kommt, um sich sein zukünftiges Dienstrad auszusuchen, sobald ein Dienstleister im Spiel ist, muss auch der »Dienstweg« eingehalten werden. Nach der Beratung im Handel gibt der Mitarbeiter seinem Arbeitgeber Bescheid, welches Rad er sich ausgesucht hat. Nun kommt der Dienstleister ins Spiel: »Basis unserer Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ist ein Dienstleistungsvertrag. Darin verpflichten wir uns, die Abwicklung eines JobRads zu übernehmen«, beschreibt Tina Barth, bei JobRad zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, den ersten Schritt. Inzwischen schickt der Händler ein verbindliches Bestellformular an den Dienstleister, der dann die Leasingrate ausrechnet und den Leasingvertrag an den Arbeitgeber schickt. Dieser schließt daraufhin mit seinem Mitarbeiter einen Überlassungsvertrag ab. Nun bekommt der Händler vom Dienstleister eine Übernahmebestätigung und damit das Signal, dass das Geschäft zustande kommt. Holt der Kunde sein Fahrrad ab, muss die Übernahmebestätigung korrekt ausgefüllt und unterzeichnet werden. Wichtig ist, dass die Identität des Kunden anhand eines gültigen Ausweises überprüft wird. Die Übernahmebestätigung geht dann an den Dienstleister zurück, zusammen mit der Rechnung, die innerhalb weniger Tage von diesem beglichen wird. Neben einer fachkundigen Einweisung verpflichtet sich der Händler dazu, auch die Wartung und etwaige Reparaturen am Leasingrad zu übernehmen. Je nach Leasingvertrag rechnet er diese mit dem Dienstleister ab oder stellt sie selbst in Rechnung. Gehört eine Inspektion zum Leasingvertrag, geben die Dienstleister in der Regel den Leistungsumfang vor.
Läuft der Leasingvertrag nach zumeist 36 Monaten aus, wird das Dienstrad demjenigen, der die Leasing-raten gezahlt hat, zum Kauf angeboten. Nimmt dieser das Angebot an, muss er dem Dienstleister noch den Restwert des Rades (zehn Prozent des Neuwertes oder mehr) bezahlen. Lehnt der Ratenzahler das Angebot ab – was selten vorkommt –, übernimmt der Händler bzw. Dienstleister nach einer Zustandskontrolle das geleaste Fahrrad.

Maßnahmen, um die Vorteile auszuschöpfen

Händler, die sich beim Thema Dienstrad engagieren, haben viele Möglichkeiten, ihr Angebot bekannt zu machen. Ein Artikel in der regionalen Presse, Flyer, Aufkleber, eine entsprechende Schaufensterdekoration oder eine Veranstaltung zum Thema Leasing öffnen Türen. Plant der Händler größere Aktionen, lohnt es, sich vorher mit dem Dienstleister kurzzuschließen. So manche öffentlichkeitswirksame Aktion kann gemeinsam durchgeführt werden.
Die Vorteile der Werbeaktionen liegen auf der Hand: »Mit dem Dienstradkonzept kommen nicht nur neue Kunden in den Fahrradladen. Es sind auch Kunden, die sich für hochpreisige Fahrräder, oft E-Bikes, interessieren und bei der Variante Dienstfahrrad das Gefühl haben, Geld zu sparen. Mit der Konsequenz, dass viele beim Thema Zubehör sehr freigiebig sind. Und es sind in der Regel sehr zufriedene Kunden«, erzählt Klaus Greif aus der Praxis, die auch Marion Bundschuh kennt. Ein E-Dienstfahrrad im Haushalt führe oft dazu, dass sich auch die Partnerin oder der Partner ein Pedelec wünscht, das dann zum »normalen« Preis erworben wird.

Ganz rund läuft das Dienstfahrrad noch nicht

Auf (tarif-)politischer Ebene rumort es beim Thema Dienstfahrrad. Insbesondere in Baden-Württemberg versuchen Dienstleister zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) das Landesbesoldungsgesetz dahingehend zu ändern, dass auch Beamtinnen und Beamte im öffentlichen Dienst in den Genuss von Dienstfahrrädern kommen können. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hält dagegen, sodass der Ton zwischen den beiden Parteien schärfer wird. Der AGFK-Vorstandsvorsitzende und Bürgermeister Michael Obert wirft der Gewerkschaft vor, sie würde »mit einseitigen Argumenten die Einführung des Dienstrad-Modells im öffentlichen Dienst« verhindern. Jan Jurczy, Pressesprecher von ver.di, kontert: »Wenn das Land Baden-Württemberg umweltfreundlich sein will, dann kann es ganz ohne Entgeltumwandlung entsprechende Dienstfahrräder erwerben und den Arbeitnehmern zu den gleichen Konditionen wie Dienstautos zur privaten Mitnutzung zur Verfügung stellen.« Gegen die Gehaltsumwandlung zur Finanzierung des Dienstrades durch den Arbeitnehmer spräche, dass dadurch Beiträge an die Sozialkassen wie die Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung über die individuelle Entscheidung hinaus der Allgemeinheit verloren gehen. Dort sind auch Arbeitnehmer aus Gehaltsgruppen versichert, die nie in die Verlegenheit kommen, über ein Dienstfahrrad nachzudenken, weil sie zum Beispiel über Zweitjobs sich und ihre Familien durchbringen. An die müsse auch die Gewerkschaft als Tarifpartner und Arbeitnehmervertretung denken. Klaus Greif von Rad&Tat kann diese Argumentation nachvollziehen: »Durch die ›Subventionierung‹ entsteht natürlich ein volkswirtschaftlicher Schaden. Das ist dann eine Gerechtigkeitsfrage.«

26. Juni 2017 von Dorothea Weniger
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