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Professionelle Diebe sind schwer zu überführen, aber anscheinend seltener unterwegs.
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Kriminalität - Einbruchdiebstähle in Fahrradläden

Ein Katz- und Maus-Spiel

»Einbrüche in Fahrradläden sind ein grassierendes Problem und eine riesige Herausforderung für den Handel« – einer solchen Aussage würden wohl die meisten in der Branche zustimmen. Doch ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt, dass diese Bedrohung zwar sehr ernstzunehmen ist, aber deutlich seltener geworden ist, als man vermuten würde.

Professionelle Diebe sind schwer zu überführen, aber anscheinend seltener unterwegs.Lesebeispiel: 2018 wurden bei insgesamt 356 Fällen 131 Einbruchsversuche gezählt und weitere 25,3 % der Einbrüche aufgeklärt.

Es ist eine Seuche, die so manchen Händler schon um den Schlaf gebracht hat: Einbruchdiebstähle in Fahrradläden erzeugen ein Gefühl der Unsicherheit und stellen ein unbestimmbares Risiko dar. velobiz.de hat alleine im vergangenen Jahr von über dreißig mehr oder weniger spektakulären Einbrüchen und Einbruchsversuchen mit regelmäßig erheblichen Schadenssummen berichtet. Sowohl in den Medien als auch in den Köpfen der Händler ist das Thema Einbruch also präsenter als je zuvor. Doch wie groß ist die Gefahr wirklich?
Es gibt bisher keine Institution, die detailliert aufschlüsselt, welche Räumlichkeiten von Einbrechern heimgesucht werden. Ob ein Drogeriemarkt, ein Elektrohändler oder eben ein Fahrradhändler betroffen ist, wird weder von der Versicherungswirtschaft noch von der Polizei ganz trennscharf erfasst. Was es aber gibt, ist die eigene Rubrik in der polizeilichen Kriminalstatistik »Besonders schwerer Fall des Diebstahls in/aus Kiosken, Warenhäusern, Verkaufsräumen pp. von Fahrrädern« unter dem Schlüssel 425300. Hier werden all die Fälle aufgeführt, in denen besondere Kriterien und Voraussetzungen erfüllt werden. So liegt ein besonders schwerer Diebstahl vor, wenn der Täter »1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, 2. eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist oder 3. gewerbsmäßig stiehlt.«
Daneben gibt es noch weitere Kriterien, die im Zusammenhang mit Fahrrädern aber nicht zum Tragen kommen, wie etwa der Diebstahl aus religiösen Räumen oder wissenschaftlichen Sammlungen. Zudem zeigen die genannten Punkte, dass es eine gewisse Unschärfe gibt. Der gewerbsmäßige Dieb ist nicht zwingend ein Einbrecher. Dennoch ist diese Kategorie ein starker Indikator für die Entwicklung der Einbruchszahlen im Fahrradhandel, immerhin werden alle derart gelagerten Fälle hier gezählt.

Die nackten Zahlen

Es dürfte für viele Fahrradhändler eine Überraschung sein, dass die Fallzahlen sinken statt steigen, hat doch zumindest gefühlt die Bedrohung durch Einbrüche in Fahrradläden massiv zugenommen. Offenbar führt das verstärkte Augenmerk auf solche Einbrüche zu einer Fehlwahrnehmung - zumindest vorläufig. Die Zahlen für das Jahr 2019 liegen nämlich noch nicht vor, beziehungsweise werden erst mit Veröffentlichung der nächsten Kriminalstatistik der Länder und des BKA von den jeweiligen Innenministern vorgestellt. Es ist also sehr wohl möglich, dass im abgelaufenen Jahr 2019 eine Trendwende stattgefunden hat.
Die Zahlen bis einschließlich 2018 sprechen jedoch eine klare Sprache: Die Zahl der Einbrüche in Fahrradläden nimmt seit Jahren kontinuierlich ab (siehe Grafik 1), mit sogar einem erheblichen Einbruch (Vorsicht Wortspiel) der Zahlen im Jahr 2017, als von einem Jahr auf das andere rund 100 Fälle weniger dokumentiert wurden. Das Sinken der Einbruchszahlen setzte sich auch im Folgejahr 2018 fort, so dass es sich eher nicht um einen statistischen Ausreißer handelte. Von 2014 bis 2018 ist die Zahl von 521 auf 356 Einbrüche und Einbruchsversuche pro Jahr gesunken, das sind bemerkenswerte 31,7 % weniger Fälle. Richtig zufrieden kann man als Händler mit dieser Entwicklung aber trotzdem nicht sein, bedeutet sie doch, dass nach wie vor fast jeden Tag in Deutsch­land ein Einbruchdiebstahl in ein Fahrradgeschäft versucht oder begangen wird.
Im Übrigen geht auch die Versicherungswirtschaft davon aus, dass die Einbruchszahlen zurückgehen. Eine Sprecherin des GDV (Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft) bestätigte auf Nachfrage eine rückläufige Gesamtentwicklung. »Einbrüche in Privatwohnungen sind seit zwei Jahren rückläufig. Unsere Experten gehen davon aus, dass sich die Fallzahlen im Gewerbe denen im Privaten angleichen.«

Bandenkriminalität sorgt für hohe Schadenssummen

Die Kriminalstatistik unterscheidet im Detail noch zwischen einem »Besonders schweren Fall des Diebstahls in/aus Kiosken, Warenhäusern, Verkaufsräumen pp. von Fahrrädern« und »Schwerer Diebstahl gemäß §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 244a StGB in/aus Kiosken, Warenhäusern, Verkaufsräumen pp. von Fahrrädern«. In letztgenannter Kategorie werden organisierte Bandenaktivitäten aufgeführt, die je nach Jahr für 5-10 Prozent der Fälle verantwortlich sind. In diese Kategorie würden auch diejenigen Einbrüche und Diebstähle fallen, in denen mit Schusswaffen gedroht wurde oder diese sogar genutzt wurden. Dies ist aber laut Statistik in den vergangenen fünf Jahren kein einziges Mal vorgekommen.
Wenn ein Einbruch mit Bezug zu Bandenkriminalität stattfindet, sinken die Aussichten auf einen glimpflichen Ausgang für den Händler. So sind Banden zunächst deutlich »erfolgreicher« in ihren Aktivitäten. So bleibt es seltener beim Einbruchsversuch. Über die Jahre scheitern sie prozentual seltener an Sicherungsmaßnahmen. Während es bei insgesamt über einem Drittel der Fälle beim Diebstahlsversuch bleibt, sind es bei organisierten Banden deutlich weniger. Im Jahr 2018 konnten nur zwei der 21 Einbrüche mit Bandenkriminalität vereitelt werden. Andererseits ist bei den nicht aufgeklärten Einbrüchen nicht auszuschließen, dass auch hier organisierte Kriminelle am Werk waren. Woher weiß man, dass es sich um Bandenkriminalität handelte? Diese Fälle werden überproportional oft aufgeklärt und dann entsprechend zugeordnet.

Abschreckung und ­Prävention wirken

Wie ist es nun zu erklären, dass trotz immer wertvollerer Ware die Zahl der besonders schweren Diebstähle in Radläden sinkt? Im Wesentlichen dürfte dafür das gestiegene Bewusstsein der Händler für diese Gefahr verantwortlich sein. Auch wenn oft genug verbreitet wird, dass Alarmanlagen und Co. nutzlos seien gegen professionelle Einbrecher: Sicherungsmaßnahmen bringen eben doch Schutz. Händler sind sich der Werte in ihren Läden bewusst und sichern sich entsprechend ab.
In der Liste der aufgeführten Einbruchdiebstähle finden sich viele Vorfälle, bei denen es beim Versuch blieb. Generell gilt, dass etwa ein Drittel der Einbrüche verhindert wird durch funktionierende Sicherungsmaßnahmen. Die Zahlen von 2014 bis 2018 lassen erkennen, dass es zuletzt im Fahrradhandel etwas häufiger beim Einbruchs­versuch bleibt als früher. Schutz durch Alarmanlagen und mechanische Vorrichtungen hält viele Einbrecher erfolgreich von den begehrten Rädern ab. Zwar kommt es dann immer noch häufig genug zu beträchtlichen Sachschäden, diese fallen aber tendenziell geringer aus, wenn wenigstens das eigentliche Gut im Besitz des Händlers bleibt.
Zudem sollte für die meisten Händler mit Versicherung eine Alarmanlage obligatorisch sein. Ab einer gewissen Versicherungssumme wird sie zur Pflicht. In der Regel liegt die Grenze bei 200.000 Euro, ein Betrag, den Fahrradläden heute mit Leichtigkeit erreichen.
Ist das Kind einmal in den Brunnen gefallen, sprich die Räder weg, stehen die Chancen für den Händler relativ schlecht. Was weitgehend stabil geblieben ist, ist die Aufklärungsquote, die seit 2014 annähernd konstant bei 25 % liegt. Wobei Aufklärung nicht zwingend bedeutet, dass die gestohlene Ware auch wiederbeschafft werden kann.
Insgesamt ist das Thema trotz sinkender Fallzahlen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Der Aufwand und Ärger, den ein solches Ereignis für den einzelnen Händler bedeutet, kann existenzbedrohend werden. Zahlen zur Entwicklung von Schadenswerten nennt zwar die Kriminalstatistik, diese sind aber durch die Vermischung von vollzogenen und versuchten Einbrüchen recht gering und über die Jahre stabil. Nach wie vor wird praktisch täglich ein Fahrradhändler in Deutschland von Einbrechern heimgesucht. Hoffnung machen können neue Sicherheitsmaßnahmen und umfassendes Problembewusstsein auf Seiten der Händlerschaft. Moderne Elektronik und ganz klassische Mechanik sind in der Lage, den Kriminellen das Leben in Zukunft noch schwerer zu machen.

3. März 2020 von Daniel Hrkac
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