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Stefan Reisinger (Messe FN), Siegfried Neuberger (ZIV), Tony Lo (Giant), Mathias Seidler (Derby), Thomas Kunz (VDZ)
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Durchwachsene Zwischenbilanz

Eurobike-Branchengespräch: 2013 abhaken und nach vorne schauen

2013 abhaken und nach vorne schauen – so oder so ähnlich lässt sich die Stimmung unter den Branchenvertretern beim traditionellen Branchengespräch heute am Vortag der Eurobike beschreiben. Auch wenn 2013 für Handel und Industrie laut der vorgelegten Zahlen alles andere als einfach war, herrscht Zuversicht, dass dieses Jahr nur ein Ausrutscher in einer insgesamt positiven Entwicklung war.

„Es gab im Fahrradmarkt bisher wohl nur selten ein Jahr, in dem der Juli der beste Monat im Handel war“, beschreibt der scheidende Derby-Chef Mathias Seidler den bisherigen Saisonverlauf. Mit anderen Worten: Die eigentlich umsatzstarke Zeit zwischen Mitte März und Ende Mai war in diesem Jahr für die Branche ein ziemlicher Reinfall. Als Begründung zitierte Seidler die Branchenweisheit „Wetter schlägt Konjunktur“. Obwohl das Konsumklima in Deutschland durchaus positiv wäre, seien durch den langen Winter wichtige Kaufimpulse im Fahrradmarkt ausgeblieben. Thomas Kunz, Geschäftsführer vom Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ), ergänzte, dass Umsatzrückgänge von bis zu 20 % in der ersten Jahreshälfte im Einzelhandel keine Seltenheit waren.

Nur geringfügig glimpflicher verlief das erste Halbjahr für die Fahrradhersteller in Deutschland, wie Siegfried Neuberger, Geschäftsführer vom Zweirad-Industrie-Verband zu berichten wusste. Demnach wurden im ersten Halbjahr 2013 in Deutschland rund 1,65 Mio. Fahrräder produziert, was einem Rückgang gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum von lediglich 2,4 % entspräche. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: Knapp die Hälfte der in Deutschland produzierten Fahrräder, nämlich insgesamt 790.000 Stück, wurden außerhalb Deutschlands abgesetzt. Der Export der inländischen Fahrradhersteller ist somit im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2012 stückzahlenmäßig um 9,3 % gestiegen.

Insgesamt – also unter Einbeziehung der Importe in Höhe von 1,8 Millionen Fahrrädern (-5 %) – ermittelte der ZIV für das erste Halbjahr eine Inlandsanlieferung im deutschen Markt von 2,66 Millionen Fahrrädern, was einem Minus von rund 7 % entspricht. Gemessen im Umsatz läge das erste Halbjahr hingegen – E-Bikes sei Dank – nur um zwei bis drei Prozent unter dem Vorjahr.

Das Wetter war jedoch bei weitem nicht das einzige Unbill, mit dem sich der Markt auseinandersetzen musste. Als starke Bremse für das E-Bike-Business erwiesen sich die Veröffentlichungen von Stiftung Warentest und ADAC, deren millionenfach aufgelegten Publikationen zahlreichen E-Bike-Herstellern im Juni eine mangelhafte und mitunter gefährliche Qualität ihrer Produkte nachsagten. Viele der Vorwürfe der Stiftung Warentest seien, so die Podiumsteilnehmer des Wirtschaftsgesprächs, nicht nachvollziehbar und (beispielweise im Fall getester Derby-Modelle) nachweislich auch falsch gewesen. Bei einigen der harschen Kritikpunkte ist die Stiftung Warentest wohl inzwischen auch schon wieder zurückgerudert. Der Schaden für den Abverkauf von E-Bikes lässt sich damit aber nicht mehr beheben. Mathias Seidler zitierte Untersuchungen seines Unternehmens, wonach insgesamt Umsatzausfälle im Fachhandel in Höhe von 50 Mio. EUR unmittelbar auf die mutmaßlich unsachgemäßen Testergebnisse der Stiftung Warentest zurück zu führen seien.

Die Frage, ob denn Derby Cycle nun daran denke, den entstandenen Schaden gegenüber der Stiftung Warentest juristisch geltend zu machen, ließ Seidler unbeantwortet. Er deutete aber an, dass es seinem Unternehmen in der Auseinandersetzung mit dem Verbraucherschutz-Institut weniger um eine finanzielle Entschädigung ginge, als vielmehr darum, dass solche Fehlurteile wie in diesem Jahr sich nicht wiederholen können.

Grund nach vorne zu blicken, hatten aber auch die anderen Podiumsteilnehmer des Wirtschaftsgesprächs. Die negativen Einflussfaktoren in diesem Jahr seien einmalige Ereignisse gewesen, die sich so wahrscheinlich nicht nochmal wiederholen würden, so der allgemeine Tenor. Radfahren und insbesondere das E-Bike seien in Deutschland weiterhin ein starker Trend. Siegfried Neuberger vom ZIV schätzt, dass mittelfristig rund 15 % der verkauften Fahrräder elektrisch angetrieben sein werden. Aktuell stünde der Marktanteil bei 11 bis 12 %. Der E-Bike-Markt habe also noch Potenzial zu wachsen.

Potenzial zum Wachsen attestierte übrigens auch Eurobike-Frontmann Stefan Reisinger der von ihm gelenkten Messe. Auf die Frage, ob die Messe Friedrichshafen denn ein weiteres Wachstum des Marktes platzmäßig darstellen könnte, antwortete der Messe-Macher, dass dies mit weiteren temporären Hallenbauten durchaus machbar sei. Allerdings stünde das rein quantitative Wachstum der Eurobike für die Messegesellschaft nicht im Vordergrund, so Reisinger. Viel wichtiger sei die Qualität der Ausstellerschaft. Und hier will sich die Eurobike ihren Status als führende Messe in Europa, wo vor allem die für den Fachhandel relevanten Anbieter zusammen kommen, bewahren.

27. August 2013 von Markus Fritsch
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