5 Minuten Lesedauer
Wann darf der Einzelhandel wieder in seiner ganzen Breite oeffnen?
i

Öffnungsperspektive?

Fahrrad- und Einzelhandelsverbände argumentieren in Richtung Politik

Soeben sind Informationen über das mögliche, weitere Vorgehen in Sachen Corona-Lockdown in Deutschland durchgesickert. Dem Großteil der Einzelhändler dürften diese Pläne kaum gefallen. Gleichzeitig richten Fahrrad- und Einzelhandelsverbände nochmals ihre Appelle an die Politik.

Wenn es am morgigen Mittwoch tatsächlich so kommt, wie es jetzt in einer Beschlussvorlage des Kanzleramts vorgesehen ist, dann steht fest, dass alle Appelle und Argumente der Einzelhandelsbranche wieder nicht gehört wurden. Wie es in Medienberichten dazu heißt, sind zwar leichte Lockerungen im privaten Bereich geplant, jedoch kaum im Bereich Einzelhandel. Freuen können sich womöglich nur Blumengeschäfte, Gartenmärkte und Buchhandlungen, die dann bundesweit öffnen könnten. Alles andere bleibt geschlossen. Weitere Öffnungsschritte sollen erst wieder auf dem nächsten Gipfel am 24. März diskutiert werden. Der Lockdown soll also bis zu Ostern weitergeführt werden. Wichtig für Betriebe: Die Verordnung zur Ermöglichung von Homeoffice soll bis Ende April verlängert werden.

Offener Brief der Fahrradwirtschaft

Mit einem neuerlichen offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Länderchefs bekräftigt die Fahrradwirtschaft soeben nochmals die Notwendigkeit der Öffnung der Fahrradgeschäfte – gerade angesichts der beginnenden Fahrradsaison. Dabei wird insbesondere der wichtige Beitrag des Fahrrads herausgestellt, Ansteckungsrisiken zu minimieren.
Weiter heißt es im Brief: „Durch Öffnung der Schulen kommt eine weitere große Gruppe an Menschen hinzu, die auf das Fahrrad im Alltag angewiesen ist: die Kinder. Das Fahrrad ist nicht nur für den täglichen Schulweg wichtig. Es gibt den Kindern eine Möglichkeit, sich körperlich zu betätigen und auszulasten, in einer Zeit, in der Sportangebote und Vereinsleben ruhen.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. unterstützt daher die Initiative der deutschen Fahrradwirtschaft, den Verkauf im Fahrradfachhandel unter sicheren Bedingungen wieder zu ermöglichen. Die Versorgung der Verbraucher mit Ersatz- und Verschleißteilen, aber auch mit dringend benötigten neuen Fahrrädern oder Zubehör, ist durch die aktuellen Zugänge nicht gewährleistet.
Die kommenden Wochen sind auch wirtschaftlich entscheidend für den Fahrradhandel. Bleibt das Geschäft bis Ostern ähnlich schwach wie die ersten beiden Monate des Jahres, kommen viele Geschäfte in Bedrängnis. Die Läger sind voll, die Kapitalbindung sehr hoch. Gleichzeitig ist der Nachfragedruck der Verbraucher enorm, denn die Nutzung von Fahrrädern ist stark gestiegen - nicht zuletzt aufgrund der berechtigten Appelle aus Politik und Wissenschaft, während der Corona-Krise verstärkt das Fahrrad zu nutzen.
Einige Bundesländer lassen den Verkauf von Fahrrädern bereits zu, und das aus guten Gründen. Der Fahrradhandel bietet ausreichend Platz, um strenge Hygieneregeln einzuhalten. Ein umfassendes Konzept dafür hat unsere Branche frühzeitig erstellt, es ist diesem Schreiben beigefügt. Große Teile von Testfahrten und Beratung können zudem ab jetzt im Freien stattfinden. Öffnet der Handel dagegen für weitere Wochen nicht, wird es zum späteren Zeitpunkt zu einem regelrechten Ansturm auf den Fahrradhandel kommen. Unvermeidliche Warteschlangen vor den Geschäften bedeuten dann ein unnötig erhöhtes Infektionsrisiko.
Wir fordern daher eindringlich eine einheitliche Regelung, die den Verkauf von Fahrrädern und Zubehör unter Einhaltung strenger Hygieneregeln bundesweit zulässt. Ausnahmen können dort gelten, wo aktuell oder in Zukunft ein besonders hohes Infektionsgeschehen zu verzeichnen ist. Wir appellieren nachdrücklich an Sie, unsere Vorschläge zu prüfen und sie bei den anstehenden Entscheidungen zu berücksichtigen. Für Rückfragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.“
Unterzeichnet ist der Brief von Ulrich Syberg, Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.,
Jörg Müsse, BICO Zweirad Marketing GmbH, Franz-Josef Feldkämper, Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk e.V., Wasilis von Rauch, Bundesverband Zukunft Fahrrad e.V., Thomas Kunz, Verband des Deutschen Zweiradhandels e.V., Uwe Wöll, Verbund Service und Fahrrad e.V., Ernst Brust, Zweirad-Industrie-Verband e.V. und Georg Honkomp, Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft e.G.

Historischer Umsatzeinbruch im Modehandel

Auch der Handelsverband Deutschland meldete sich heute nochmals zu Wort und verweist dabei auf die zweigespaltene Lage im Einzelhandel. "Nie zuvor gab es derart auseinanderlaufende Entwicklungen im Einzelhandel. Der Lockdown treibt die Umsätze im Online-Handel nach oben und stürzt vor allem den stationären Modehandel in ein tiefes Tal der Tränen“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Heute veröffentlichte Daten des Statistischen Bundesamtes machen deutlich, dass der Online-Handel im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat seine Umsätze um ein Drittel steigern konnte. Im gleichen Zeitraum verlor der Modehandel drei Viertel seiner Erlöse. Der Einzelhandel insgesamt erlebte im Januar den stärksten Umsatzrückgang seit Beginn der Coronakrise.

Angesichts dieser dramatischen Zahlen in der Kernbranche der Innenstädte fordert der HDE einen Tag vor der Corona-Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ländern erneut eine transparente und zeitnahe Öffnungsperspektive für den geschlossenen Einzelhandel. „Die Branche hat mit ihren funktionierenden Hygienekonzepten bewiesen, dass geöffnete Ladentüren und Pandemiebekämpfung kein Widerspruch sind. Auch das Robert-Koch-Institut sieht das Infektionsrisiko beim Einkaufen als gering an. Es gibt keinen sachlichen Grund mehr, die Ladentüren weiterhin nicht aufzusperren“, so Genth. Der Handel werde seiner Verantwortung gerecht, das zeigten auch die aktuell geöffneten Lebensmittelhändler. Es gebe keine Hotspots in den Geschäften.

Mit Blick auf die massiven Umsatzeinbrüche im derzeit geschlossenen Handel sieht der HDE außerdem die dringende Notwendigkeit, die staatlichen Hilfen endlich um Möglichkeiten zur Berücksichtigung eines Unternehmerlohns und einer kalkulatorischen Miete zu ergänzen und die EU-Beihilfegrenzen nach oben anzupassen. „Vielen Inhabern droht der Gang zum Sozialamt. Hier brauchen wir dringend eine Lösung“, so Genth weiter. Bisher dürfen bei den Wirtschaftshilfen kein Unternehmerlohn und keine Miete für eigengenutzte Läden berücksichtigt werden. Genth: „Die Politik muss morgen liefern. Ansonsten schließen sich viele Ladentüren für immer.“

2. März 2021 von Jürgen Wetzstein
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login