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Andreas Lübeck und Lars Röttger (oben) von der Bidex GmbH stellten die Pläne des neuen Branchen-Dienstleisters vor.
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Event - velobiz.de Vertriebstag

Gut vernetzt

Die Digitalisierung macht vieles möglich. Doch nicht alles, was möglich ist, ist auch erlaubt. Das ist nur eine der Erkenntnisse, die der erste velobiz.de Vertriebstag hervorbrachte.

Wie zuletzt auch der velobiz.de Marketing-Tag fand der Vertriebstag im EDTC von Sram in Schweinfurt statt. Im ersten Vortrag referierte die Rechtsanwältin Dr. Daisy Walzel über das Kartellrecht. Allgemein bekannt ist, dass Preisabsprachen unter Herstellern verboten sind. Bestraft werden können aber auch schon Unternehmen, denen – und sei es noch so zufällig – nur zu Ohren kommt, dass ein Mitbewerber Preissenkungen plant. Noch relevanter für die Fahrradbranche ist das Kartellrecht, wenn es um die Lieferbeziehungen zwischen Herstellern und Händlern geht. So ist es etwa verboten, Händler nachträglich durch schlechtere Konditionen dafür zu bestrafen, dass sie Ware online verkaufen. Ebenso kann das Kartellamt einschreiten, wenn z. B. Rabatte vom Vertriebskanal oder den erzielten Verkaufspreisen abhängig gemacht werden. »Der Händler muss in der Preisgestaltung frei sein«, erklärte Walzel. Erlaubt sei dagegen, beim Aufbau einer Lieferantenbeziehung verschiedene Vertragspartner unterschiedlich zu behandeln. »Es gibt keine Verpflichtung, an alle Händler zum gleichen Preis zu liefern«, so die Rechtsanwältin. Einigen Teilnehmern wurde dennoch klar, dass sie sich mit ihrer bisherigen Praxis womöglich zumindest in einer Grauzone bewegen. Die lebhaften Diskussionen über den Vortrag zeigten jedenfalls, dass das Thema allein Stoff für einen ganzen Tag hergeben würde.

Was nicht online ist, existiert nicht

Schwerpunkt des velobiz.de Vertriebstags war aber eigentlich die Digitalisierung, die sich in vielen Facetten immer stärker auch auf die Fahrradbranche auswirkt. So waren sich alle Experten darin einig, dass der stationäre Handel ohne digitale Vernetzung nicht überlebensfähig ist. »Der Kunde taucht nicht mehr auf, wenn keine Informationen im Web zu finden sind«, beschrieb Lars Röttger die Situation. Gemeinsam mit seinem Bidex-Geschäftsführerkollegen Andreas Lübeck erörterte Röttger, was die Brancheninitiative zur besseren Vernetzung von Informationen beitragen kann. So schlugen die Referenten den Bogen vom Multi-Channel-Vertrieb – der Bedienung verschiedenster Kanäle – zum Omni-Channel-Modell – der Vernetzung dieser Kanäle. Die Grundlage dafür seien vernünftige Daten, die Bidex künftig liefern werde.
Ein gelungenes Beispiel für die Kombination aus stationärem und virtuellem Handel präsentierte Alex Thusbass mit dem Winora Dealer Center. Die gut sichtbare Säule mit integriertem 23-Zoll-Display bringt den Onlineshop ins Ladengeschäft. Über 800 Mal ist es bereits im Einsatz. Ziel des Dealer Centers ist es, die Beratungsqualität zu erhöhen und somit den Verkauf zu fördern. Zahlreiche Produktinformationen sind bereits hinterlegt, die dem Händler das Leben einfacher machen, aber auch für den Kunden direkt im Laden abrufbar sind. Das System wird von eigens dafür abgestellten Experten ständig weiterent­wickelt. Die Installation kostet den Händler laut Thusbass aktuell 799 EUR, hinzu kommen 399 EUR Jahresgebühr – Investitionen, die sich in den meisten Fällen auszahlen dürften.

Beziehungsprobleme

Im Fall des Winora Dealer Centers ist der Händler direkt mit dem Hersteller vernetzt. Insgesamt ist es um die Beziehungen zwischen Industrie und Handel aber nicht immer zum Besten bestellt, wie VSF-Marketing-Manager Uwe Wöll in seinem Vortrag berichtete. Er hatte sich in seiner Untersuchung auf die weichen Faktoren konzentriert. Als Grundlage dienten das VSF-Lieferantenranking sowie zahlreiche Gespräche mit Händlern und Herstellern. Als wesentliche Konfliktfelder aus Sicht des Handels machte er die Produktqualität und die Reklamationsabwicklung seitens der Industrie aus. Dies führe zu einer großen Streuung bei der für die Endmontage benötigten Zeit von 15 bis 75 Minuten. Die Beratungszeiten im Verkauf schwanken sogar noch stärker. »Der Händler jongliert zwischen den Ansprüchen des Kunden und der Reaktion der Hersteller«, so Wöll. Eine häufig geäußerte Forderung sei, Reklamationsfälle unter 100 Euro schnell und unbürokratisch abzuwickeln. Insgesamt sei ein intensiverer Austausch erstrebenswert: »Beide Seiten wünschen sich mehr gegenseitiges Vertrauen.«

Generalist und Spezialist im E-Commerce

ziehungsqualität zum Fachhandel bestellt ist, sollten Hersteller direkt über Amazon verkaufen. Davon jedenfalls wollte Marc Aufzug von der auf Geschäfte mit dem Internetriesen spezialisierten Agentur factor-a die anwesenden Industrievertreter überzeugen. Als Gründe dafür nannte er das immer noch starke Wachstum und die daraus resultierende Marktmacht der Plattform. »Ohne Amazon geht es nicht«, sagte Aufzug. Das mögen einige Fahrradhersteller anders sehen, auch wenn ihre Produkte bereits ohne ihr Zutun auf Amazon zu finden sind.
Viele Marken sind bereits auch über fahrrad.de verfügbar. Das Onlineportal der Internetstores GmbH ist in Deutschland längst etabliert, weswegen Geschäftsführer Ralf Kindermann die in einigen europäischen Ländern bereits umgesetzte Internationalisierung noch stärker vorantreiben möchte. »Das Internet hat eigentlich keine Grenzen«, weiß Kindermann, allenfalls sprachliche – die Marke fahrrad.de funktioniert natürlich nur in deutschsprachigen Ländern –, die sich aber auch leicht lösen lassen. Die Wachstumszahlen von Internetstores mit den beiden Standbeinen Fahrrad- und Outdoorhandel sind jedenfalls beeindruckend. Zuletzt stieg der Umsatz auf 170 Mio. EUR. Er könnte laut Kindermann sogar noch höher liegen, wenn das inzwischen zum Signa-Retail-Konzern von René Benko gehörende Unternehmen nicht auch Geld verdienen wollte. »Wir haben das Wachstum zugunsten der Profitabilität gedrosselt«, berichtet Kindermann. Als Erfolgsfaktoren seines Unternehmens sieht er einen ausgereiften Marketing-Mix und den guten Service, der für eine Weiterempfehlungsquote von 70 Prozent verantwortlich ist – Branchen-Primus Amazon kommt auf 76 Prozent. Dennoch ist Kindermann überzeugt: »Spezialist schlägt Generalist.«

Selektive Wahrnehmung

Zum Abschluss des Vertriebstags vermittelte Frank Puscher, der auch als Moderator durch die Veranstaltung geführt hatte, einige interessante Einblicke in das Thema Neurocommerce, das sich die Eigenheiten der menschlichen Wahrnehmung zunutze macht. »90 Prozent aller Entscheidungen sind emotional«, erklärte Puscher, der diese These anhand einiger einfacher Experimente anschaulich bekräftigen konnte. So zeigte er mithilfe von Beispielen, dass der Einsatz einfacher Instrumente wie Anreizsysteme, Gütesiegel oder sogenannte Influencer (z. B. Youtube-Stars) Kaufimpulse erzeugen kann.
Viele Anregungen nahmen jedenfalls die fast 100 Teilnehmer des ersten velobiz.de Vertriebstags mit. Aufgrund der positiven Resonanz laufen bereits die Planungen für die zweite Auflage, voraussichtlich im November 2017.

11. Dezember 2016 von Oliver Bönig
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