
Nachgehakt - die Meldung hinter der Meldung
Herstellerzahlen zeigen erstarkendes Geschäft
Der Branchenriese Giant blickt vermutlich enttäuscht auf das vergangene Jahr 2024 zurück. In diesen 12 Monaten fiel es dem Fahrradhersteller ausgesprochen schwer, seine Zahlen aus dem Jahr zuvor zu erreichen. Sowohl Gewinn als auch Umsatz sanken deutlich. Eine Abschreibung auf Altbestände drückt ebenfalls auf die Zahlen. Das vergangene Jahr »gewonnen« hat im direkten Vergleich Merida, wo die Zahlen etwas besser ausgefallen sind. Auch hier gab es eine Abschreibung, die aber anderer Natur und durchaus ungewöhnlich war.
Merida x Specialized
Es war mehr als nur eine Randnotiz in den Geschäftszahlen von Merida, auch wenn es nicht den Kern des Merida-Geschäfts betraf. Trotzdem war es eine Offenbarung für die Branchenbeobachter: So war im jüngsten Marktbericht nachzulesen, wie hoch die Beteiligung von Merida an der US-Marke Specialized aktuell ist: Diese liegt derzeit bei 35 Prozent. In der Vergangenheit gab es immer mal wieder Spekulationen, wie eng die beiden Unternehmen verbandelt sind, auch könnte es über die Jahre Schwankungen gegeben haben. Die meisten Berichte nannten die Zahl ganz beiläufig, so als sei sie weithin bekannt, tatsächlich herrschte auch bei Experten durchaus Ungewissheit, wie stark Merida bei Specialized engagiert ist. Zwischendurch habe der Anteil von Merida an Specialized auch mal bei über 50 Prozent gelegen, aber Genaues wusste man nicht. Was war, spielt ohnehin keine Rolle mehr. Erstmals liegen genaue Informationen vor, obwohl man schon seit den 90er-Jahren eng zusammenarbeitet. Die Anteile sind auch der Grund, warum Merida nicht auf dem US-Markt aktiv ist.
Dass nun diese Offenheit Einzug hielt, liegt natürlich an der Abschreibung, die man laut den jüngsten Unternehmenszahlen vornehmen musste: Satte 105 Millionen US-Dollar wurden im Jahr 2024 abgeschrieben. Die naheliegende Vermutung lautet, dass auch hier Lagerbestände abgewertet wurden, doch tatsächlich stammt das Minus aus einem anderen Geschäftsbereich.
Specialized habe im Verlauf der Pandemie sein Fachhandelsgeschäft massiv ausgebaut. Bei der Präsentation der Jahreszahlen 2024 erklärte Merida die Abschreibung derart: »Während der Pandemie haben zahlreiche Marken gezielt Fahrradgeschäfte übernommen, um Marktanteile zu gewinnen. Die Marktanforderungen haben sich jedoch rasch verändert, was zu einem Rückgang der Bewertung dieser Fahrradgeschäfte und damit zu einer Wertminderung geführt hat.« Ob tatsächlich so viele Marken ihr eigenes stationäres Engagement so stark ausgebaut haben, wie es in den USA insbesondere Specialized und Trek tun, sei dahingestellt. Auch ist unklar, wie sich der Fahrradmarkt nach der Pandemie verändert haben soll, dass der stationäre Handel in den USA nun so viel weniger wert ist. Die Darstellung der Zahlen legt nahe, dass sich Specialized auf diesem Feld irgendwo verspekuliert hat. Die Abschreibung sei aber eine einmalige Sache. Es dürfte für alle Marktteilnehmer eine interessante Lektion sein, zu erfahren, wie dieser Verlust im Detail zustande gekommen ist. Im Anschluss dürfte das Folgen für eine weitere Vertikalisierung der Branche haben.
Optimistische Ausblicke
Die Hauptnachricht in die Branche und an die Merida-Aktionäre war der Ein- und Ausblick auf das Hauptgeschäft des Unternehmens. Dieses habe sich positiv entwickelt: Im vergangenen Jahr war nur noch ein geringer Verlust aus der Fahrradproduktion zu verzeichnen. Die Warenbestände waren wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Die Verkäufe blieben in den vergangenen Jahren stabil. Ab dem 2. Quartal 2024 lag man deutlich über den Vorjahresniveaus. Merida sei nun weitgehend schuldenfrei und mit einem höheren Barvermögen ausgestattet. Bestätigt wird die Entwicklung schon in den ersten Monaten des Jahres 2025. Im Januar lag man satte 59 Prozent über dem Vorjahresumsatz (knapp 70 Millionen Euro statt 44 Millionen) und auch im Februar konnte ein Plus von über 37 Prozent erwirtschaftet werden.
Giant kann da nicht ganz mithalten. Im Januar stand noch ein kleines Minus von 2,24 Prozent zu Buche. Der Februar erfreute dagegen mit einem Plus von knapp 31 Prozent zum Vorjahr und spülte so 151 Millionen Euro in die Kassen. Das sieht alles bereits jetzt deutlich besser aus als im Vorjahr, als in 10 von 12 Monaten ein Umsatzminus zu verdauen war.
Alle Hersteller über einen Kamm zu scheren, ist natürlich unangebracht. Aber die großen Unternehmen sind durchaus ein Indikator, wie es weitergehen wird. Hier fügen sich Giant und Merida in das Bild: Die Anzeichen verdichten sich immer mehr, dass nun auch die Industrieseite das Gröbste hinter sich lassen kann. Normalität, Wachstum gar, rücken wieder in den Vordergrund.
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