
Kolumne - Andreas Ehrhardt
Lager voll, Liebe leer
...als Händler wie ein Kunde behandelt, eingeladen, hofiert, für das Produkt begeistert. Es war fast romantisch – oder jedenfalls auf Augenhöhe. Heute? Toxisch.
Die Lager des Herstellers quellen über wie der Wäschekorb einer Studenten-WG. Und wer ist schuld? Natürlich wir Händler. Wir würden »nicht performen«, »nicht genügend abverkaufen« und »zu wenig Engagement zeigen«. Und grundsätzlich sind wir überhaupt die Einzigen, die das Problem haben. Dabei stehen wir jeden Tag im Laden, beraten von Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang und verkaufen Räder, die wir teilweise noch zu Corona-Zeiten bestellt hatten. Also vor fünf Jahren.
Doch statt Treue, Verständnis oder Rückendeckung bekommen wir: Vorwürfe.
Doch statt Treue, Verständnis oder Rückendeckung bekommen wir: Vorwürfe. Das Produkt sei doch super. Was stimme denn mit uns nicht? Und als wäre das nicht genug, geht der Hersteller jetzt auch noch fremd – direkt vor unseren Augen. Und das nicht mit dem Argument der ach so gut verkäuflichen Bikes, sondern ganz billig mit dem Preis. Die gleichen Räder werden plötzlich online oder ab Werk deutlich günstiger angeboten.
Mit Rabatten, die selbst unsere besten Verkäufer zum Verzweifeln bringen. Online-Auftritte von sogenannten Premium-Herstellern sehen auf einmal aus wie »Rudis Resterampe«. Sonderaktionen gehen am Handel vorbei, aktuelle Ware wird schnell als Vorjahres- oder Testrad deklariert – Tageszulassung lässt grüßen. Was früher eine Geschäftsbeziehung war, fühlt sich heute eher an wie ein Beziehungsdrama mit wechselseitiger Schuldzuweisung.
Vielleicht braucht es in unserer Branche nicht nur Gespräche, sondern manchmal auch Konsequenzen. Denn wie in jeder toxischen Beziehung kommt irgendwann der Punkt, an dem man sich fragt: Will ich mir das weiter antun? Marken gibt es viele. Gute Partnerschaften sind selten – aber möglich. Leid muss irgendwann ein Ende haben. Wenn ein Hersteller vor allem auf schnellen Abverkauf statt auf strategische Zusammenarbeit setzt, dann ist die Beziehung vergiftet. Toxisch. Und vielleicht ist es dann besser, getrennte Wege zu gehen.
Die nächste Partnerbörse namens Eurobike steht schon vor der Tür.
Andreas Ehrhardt ist seit mehr als 30 Jahren in der Fahrradbranche aktiv. Als Mitinhaber der die Radgeber oHG kennt er sowohl den Schraubenschlüssel als auch die betriebswirtschaftliche Brille – und verliert trotz aller Branchendramen nie den Humor.
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