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Marketing - Kundenbindung

Loyale Kundschaft braucht Pflege

Kundenbindung sollte ein wichtiger Teil jeder Unternehmensstrategie sein, denn im Idealfall erhöht sie den Umsatz. Gleichzeitig senkt sie die Kosten für das Marketing. Gelingt sie offline wie online, können über dieses Instrument sogar neue Kundinnen und Kunden gewonnen werden. Maßnahmen dafür gibt es viele.

Neu ist die Gleichung nicht: Zufriedene Kundinnen und Kunden besuchen ihr Lieblingsgeschäft immer wieder, auch um neue Angebote aufzuspüren. Die meisten von ihnen verweilen dort mit »entsichertem« Geldbeutel viel länger als die sogenannte Laufkundschaft, die mit einem konkreten Produktwunsch den Laden betritt und nach seinem Erhalt wieder geht.
Reflektieren Händlerinnen und Händler ihre Maßnahmen zur Kundenbindung konsequent und versuchen sie, diese zu perfektionieren, um die Kundenbeziehung zu optimieren, spricht man vom Customer-Relationship-Management (CRM). Im CRM ist die wichtigste Kennzahl die Kundenbindungsrate (Retention Rate). Sie gibt in Prozent den Anteil der Kundschaft an, die über einen bestimmten Zeitraum an das Geschäft gebunden werden konnte. Die Formel dafür ist relativ einfach: Retention Rate = ((EK-NK)/AK)) x 100
Zur Erläuterung: EK bezeichnet die Zahl der verbliebenen Kundinnen und Kunden am Ende eines festgesetzten Zeitraums, NK steht für die im gleichen Zeitraum neu gewonnenen Kundinnen und Kunden und AK für die Anzahl der Kundinnen und Kunden während des Erfassungszeitraums. Sinkt die Prozentzahl der Kundenbindungsrate, sollten Händlerinnen und Händler ihre Maßnahmen zur Kundenbindung erneut reflektieren und gegebenenfalls ändern.

Den Fokus auf die Kundschaft legen

Gabi Bayerlein, in Gunzenhausen am fränkischen Altmühlsee in dritter Generation Mitinhaberin von Zweirad Gruber, ergänzt diese rein betriebswirtschaftlichen Größen und plädiert dafür, das Thema vonseiten der Kundinnen und Kunden aus zu betrachten. Stehen diese nämlich im Zentrum, drängen sich zwangsläufig die richtigen Fragen auf. »So steht bei uns Menschlichkeit seit Unternehmensgründung ganz oben. Entscheidend sind die Fragen: Wer braucht was wirklich? Außerdem denken wir den Einkauf unseres Kunden schon, bevor dieser bei uns angekommen ist. So überlegen wir: Mit welchem Fahrzeug kommt unser Kunde zu uns? Wie können wir ihm die Anfahrt angenehm gestalten? Schon aus diesen Fragen ergeben sich Maßnahmen zur Kundenbindung. Ein kleines Beispiel: Mit Termin reparieren wir Fahrräder noch am selben Tag, damit der Kunde sich eine weitere Anfahrt sparen kann.« Sebastian Bomm, Leiter der Abteilung »User Experience & Customer Intelligence« bei Rose Bikes pflichtet Bayerlein bei. »Auch bei Rose Bikes ist das Wichtigste, unsere Kundinnen und Kunden wirklich weitreichend verstehen zu wollen. Um dies zu erreichen, können wir in unseren Stores im Dialog mit ihnen unendlich viel über ihre Motivation, ihre Sorgen und Ziele lernen. Wir erfahren, für welche Anwendungen wir wirklich hilfreiche Lösungen schaffen sollten. Die gewonnenen Erkenntnisse sind elementar für unser kundenzentriertes Arbeiten und somit auch für das Thema Kundenbindung.«

Offline-Instrumente der Kundenbindung

Um Kundinnen und Kunden an das eigene Unternehmen zu binden, sollte das Personal entsprechend geschult sein. Oberste Priorität haben die Bedürfnisse der Kundschaft, die man über lange Zeit behalten möchte. Werkstattgutscheine, ein Licht-Check als Bonus für loyale Kundinnen und Kunden oder eine persönliche Einladung zu einer Hausmesse – den Offline-Instrumenten der Kundenbindung sind kaum Grenzen gesetzt. »Wir gehen da wirklich auch sehr weit«, erzählt Gabi Bayerlein. »Leidet einer unserer Kunden nach einem Sturz oder einer Operation zum Beispiel an einem Handicap, nehmen wir uns die Zeit, bis wir das passende Rad und die Lösung für sein Problem gefunden haben. Muss zuerst die Angst vor dem Radfahren wieder abgebaut werden, bieten wir zudem ein Fahrtraining an.« Ehrlichkeit, Geradlinigkeit sowie jede und jeden gleich behandeln sind weitere Prinzipien, auf die man bei Zweirad Gruber baut. Mit Erfolg: Ende Oktober bekamen sie und ihre Mutter die Ehrenplakette beim »Großen Preis des Mittelstandes« verliehen, unter anderem wegen ihres engagierten Kundenservices. Mittlerweile zieht das mittelständische Unternehmen Stammkundschaft aus allen Bundesländern an. »Freilich auch deshalb, weil wir in der herrlichen Urlaubsregion ›Fränkisches Seenland‹ liegen«, reflektiert Bayerlein bescheiden. »Gleichwohl lassen wir uns in der Tat immer wieder etwas einfallen, um unsere Kunden zu überraschen.« Zuletzt war dies eine Lesung literarischer Radgeschichten. Ein Lastenradtag auf dem Marktplatz oder ein Gebrauchtradmarkt sind weitere Maßnahmen, die Kundinnen und Kunden etwas bieten und an das Unternehmen binden. Der Fokus liegt bei Gruber auf den Familien, weshalb sich die Inhaberinnen und der Inhaber auch für ein Vollsortiment entschieden haben.

»Künstliche Intelligenz ersetzt niemals die Empathie gegenüber Kundinnen und Kunden.«

Sebastian Bomm, Leiter der Abteilung »User Experience & Customer Intelligence« bei Rose Bikes

Händlerinnen und Händler, die bei ihrer Strategie der Kundenbindung eine loyale, sportbegeisterte Community im Auge haben, sollten einen anderen Weg einschlagen. Ein fokussiertes Angebot und ein Verkaufsraum, in dem sich die Community-Mitglieder in einer guten Atmosphäre über Produkte und Abenteuer austauschen können, machen den Einkauf hier zum Erlebnis.
Rose Bikes geht trotz breiteren Angebots diesen Weg, berichtet Sebastian Bomm, denn »die Qualität des Kunden­erlebnisses entscheidet darüber, ob jemand eine langfristige Beziehung zur Marke eingeht. Wir veranstalten Events mit unseren Athleten, geben in Sessions Tutorials und Tipps und treten bei gemeinsamen Rideouts in die Pedale. Das sind zentrale Momente, um eine langfristige Beziehung auf Augenhöhe aufzubauen.«

Online-Instrumente der Kundenbindung

Unabhängig von der Kundengruppe, auf die man sich fokussiert, sollten Händlerinnen und Händler Online-Instrumente zur Kundenbindung unbedingt mitdenken. Deshalb darf die Frage nach aktuellen digitalen Kontaktdaten bei keinem größeren Kundenkontakt fehlen. »Eine gut sortierte Datenstruktur und -qualität ist darüber hinaus wichtig, um die entstehenden Möglichkeiten vollends ausschöpfen zu können«, argumentiert Sebastian Bomm von Rose Bikes. Im Ergebnis kann dann im Rahmen der CRM ein personalisiertes E-Mail-Angebot oder ein Newsletter verschickt werden.
Auch Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung bei EHI Retail Institute, plädiert in einem Blogbeitrag auf einzelhandel.de für digitale Maßnahmen bei der Kundenbindung. »Besonders kleine und mittlere Handelsunternehmen schrecken noch vor dem Schritt in die digitale Welt zurück. Sie nehmen an, dass der Prozess der digitalen Transformation mit hohen Investitionskosten einhergeht und somit ein Privileg der Großen bleibt.« Mit Blick auf die Kundschaft müssten Händlerinnen und Händler aber feststellen, dass diese bereits seit Langem digital unterwegs sind und damit alle Handelsprodukte und ihre Bezugsquellen mit wenigen Klicks überblicken könnten, wodurch »der sogenannte Stammkunde immer mehr in Versuchung des ›Fremdshoppens‹ gerät«. Schreckten früher Händlerinnen und Händler vor den Installations- und Wartungsproblemen und den damit verbundenen hohen Kosten zurück, setzen die heutigen cloudbasierten CRM-Lösungen lediglich eine Internetverbindung voraus. »Hinzu kommt, dass die Anwendung nicht an ein einziges Gerät gebunden ist. Die Mitarbeiter können ein Tablet oder ein Smartphone benutzen, um die Daten schnell zu erfassen oder aufzurufen«, argumentiert Atzberger für das Cloud-CRM.
»Kundenbindung ist ein kanalübergreifender Prozess. Für den Onlinehandel bedeutet dies, die perfekte Balance zwischen Informationsangebot, Usability, einem guten Preis, schneller Verfügbarkeit, Prozesstransparenz etc. zu finden«, erklärt Bomm die Herausforderungen, vor denen auch Rose Bikes steht. Bei allen digitalen Möglichkeiten der Kundenbindung wird immer wieder auch auf die sogenannte künstliche Intelligenz (KI) verwiesen. Ziel dieser KI-basierten Kommunikationswege ist es, den Kontakt zur Kundin oder zum Kunden nicht zu verlieren. Sebastian Bomm, der sich als Leiter der Abteilung »User Experience & Customer Intelligence« täglich mit diesem Thema beschäftigt, warnt allerdings vor allzu großer Erwartungshaltung: »Nur weil Dinge mathematisch plausibel sind, müssen sie noch lange nicht fachlich oder emotional die beste Lösung sein.«


Eine kleine Aufmerksamkeit in Form von Gutscheinen kann mit und ohne Anlass zu einer engeren Kundenbindung führen.

Trotzdem seien KI-basierte Produktempfehlungen, zum Beispiel über Spracherkennung im Chatbot oder über Beratungstools, bereits konkrete Wege, die Rose Bikes eingeschlagen hat. Ein sogenannter Chatbot zahlt sich vor allem nach Betriebsschluss aus, also dann, wenn Kundinnen und Kunden im Internet surfen, um ein neues Rennrad zu suchen. Ein auf der hauseigenen Webseite eingeschalteter Chatbot reagiert automatisch auf Fragen der Nutzerinnen und Nutzer und zeigt passende Produkte oder notwendige weitere Inhalte an. Zudem kann er zur Kontaktaufnahme per E-Mail auffordern. Während der Öffnungszeiten im stationären Handel oder während der Arbeitszeiten im Online-Handel ist die Kommunikation über beispielsweise Whatsapp allerdings flexibler und kundenorientierter.

Loyale Kundschaft gibt Feedback

Eine gelungene Kundenbindung reduziert nicht nur die Kundenfluktuation, sondern sorgt auch dafür, dass die Kundschaft homogener und damit berechenbarer wird. Über Mundpropaganda erreichen zufriedene Kundinnen und Kunden insbesondere ihre Freundinnen und Freunde, Verwandte und Bekannte, die in ihren Lebensweisen zumeist ähnlich sind. Werbung, die diese loyale Kundschaft betreibt, auch Empfehlungsmarketing genannt, spart nicht nur Geld, das in das eigene Marketing gesteckt werden müsste, sie ist aufgrund des Vertrauensvorschusses auch glaubwürdiger. Von einer besonders anschaulichen Anekdote kann dazu Gabi Bayerlein berichten: »Als die E-Bikes auf den Markt kamen, war mein Vater der Erste, der erkannte, dass diese eine neue Zielgruppe generieren könnten. In jedem kleineren Ort unserer ländlichen Struktur gab es eine Frau – bei uns waren zuerst vor allem die Frauen auf E-Bikes angewiesen –, die er für das Rad mit Motor begeistern konnte. Das war quasi seine Vorleistung. Doch dann erzählten diese Kundinnen ihre positiven Erfahrungen weiter. Bald kamen also die Nachbarinnen und Freundinnen zu uns. Diese wurden wiederum zu Werbeträgerinnen und ihre Zufriedenheit begeisterte andere. Ein sehr positives Schneeballsystem.«
Um das Empfehlungsmarketing voranzutreiben, setzt Zweirad Gruber auch auf die Möglichkeit des Gutscheinkaufs: »Unsere Kundschaft kann Gutscheine zum Beispiel für Geburtstage oder Weihnachten auf unserer Homepage bestellen. Genutzt werden diese zwar auch von Neukunden, doch besonders von Stammkunden, denn gerade diese wissen, dass der Beschenkte bei uns in guten Händen ist.«
Neben der Unterstützung in Form des Empfehlungsmarketings sind zufriedene Kundinnen und Kunden, die einen kritischen Umgang schätzen, zudem ein gutes Korrektiv. Sie spiegeln den Händlerinnen und Händlern, ob das gekaufte Produkt wirklich all ihre Bedürfnisse befriedigte, ohne dabei ungerecht zu werden. Manche verbinden etwaige Kritik auch mit neuen Ideen und agieren so unbewusst als Unternehmensberaterin oder -berater.
Inzwischen ist selbst bei der Feedback-Kultur die Digitalisierung eingezogen: Über entsprechende Terminals mit Touchscreen-Tablets oder ähnlichen Geräten können Rückmeldungen direkt auf elektronischem Wege eingeholt werden. Ein strategisch guter Platz dafür ist in der Nähe der Kasse oder des Ausgangs. Über den Kassenbon, einen Flyer oder Ähnliches mit QR-Code können Kundinnen und Kunden nach dem Scan mit dem Smartphone zur Befragung auch auf die hauseigene Webseite geleitet werden. Damit ist dann auch noch die Verzahnung von stationärem und Online-Handel gelungen. //

13. Februar 2023 von Dorothea Weniger

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