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Manfred Otto legt Ergebnisse zur Untersuchung offen
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Nach Rahmenbruch bei Hai Bike:

Manfred Otto legt Ergebnisse zur Untersuchung offen

Der Bruch eines Carbon-Rahmens bei einem Modell von Hai Bike und die Veröffentlichung darüber in der Zeitschrift Mountainbike hat die Diskussion über die Sicherheit von Carbon-Rahmen angeheizt. In Zusammenarbeit mit dem Prüfinstitut EFBe hat Fahrradhersteller Winora den Fall untersuchen lassen. In einer Pressemitteilung legt der Fahrradsachverständige Manfred Otto von EFBe die Ergebnisse offen.

Wie vom MountainBIKE Magazin 10/2007 berichtet, war es bei einem neuwertigen Carbon-Hardtail der Marke Hai End während eines Rennens im Wiegetritt plötzlich zum vollständigen Sprödbruch von Unter- und Oberrohr gekommen. Der Hersteller Winora hat umgehend mit einer Rückrufaktion reagiert und EFBe hat den Fall in Zusammenarbeit mit dem Hersteller untersucht.

Versagensfälle wie der vorliegende sind bekannt bei dünnwandigem CFK-Rohr aus HM-Fasern, die über einen sehr hohen Elastizitätsmodul verfügen. Damit lassen sich sehr gute Steifigkeitswerte bei geringem Gewicht erzielen. Die Kehrseite ist eine extrem geringe Bruchdehnung, die zu einem sprödem Bruchverhalten führen kann, wenn nicht anderweitig konstruktive Vorsorge getroffen wird.

Der Schadensfall macht erneut deutlich, welche Bedeutung die Prüfung des Überlastverhaltens tragender Bauteile insbesondere bei CFK-Konstruktionen hat. Das Problem ist nicht neu: aus gutem Grund hatten wir in Deutschland bereits vor 20 Jahren nicht nur Ermüdungsprüfungen in die Fahrradsicherheitsnorm aufgenommen, sondern den kompletten sicherheitstechnischen Dreiklang aus

1. Ermüdungsversuch (bei dynamischer Beanspruchung eines tragenden Bauteils dürfen keine Risse oder Brüche auftreten),
2. statischem Versuch (bei maximal zulässiger statischer Belastung darf sich das Bauteil nicht nennenswert verbiegen oder Risse bekommen) und
3. Überlastversuch/Impact (bei Überlastung darf sich ein Bauteil zwar verformen, nicht aber spröde auseinander brechen).

Im Einzelnen ergibt sich im vorliegenden Fall folgendes Bild:

1. Laut Dokumentation des Rahmenherstellers hatte das Modell Hai End u. a. die Ermüdungsprüfungen nach EN 14766 bestanden. Bei EFBe hat ein baugleicher Rahmen die TOP PERFORMANCE Ermüdungsversuche bestanden. Sogar nach massiver Vorschädigung im kritischen Bruchbereich zeigten die Prüflinge hier keine Schwächen. Auch dass der Bruch im Rennen bereits bei der geringen Gesamtlaufleistung von ca. 60 km auftrat, ist ein Indiz dafür, dass diese Rahmenbauart kein Ermüdungsproblem hat.

2. Da der Bruch unter scharfer Wiegetrittbelastung auftrat, ist nicht auszuschließen, dass die dünnwandigen Rohre für eine extreme Wiegetrittbelastung statisch unzureichend dimensioniert waren. Statische Prüfungen für den Rahmen sind in der EN leider nicht mehr enthalten. Hier war es für der Rahmenhersteller also nicht möglich eine EN Prüfung dokumentieren.

3. Die beiden Überlastprüfungen für Rahmen nach EN 14766 hätten das inakzeptable Sprödbruchverhalten aufzeigen müssen. Laut Dokumentation des Rahmenherstellers wurden aber beide Normprüfungen bestanden. Es besteht also der begründete Verdacht, dass die EN Anforderungen in diesem Punkt unzureichend ist. EFBe führt diese EN Prüfungen nicht durch, weil sie methodische Mängel aufweisen. Stattdessen wurden Überlastversuche an baugleichen Prüflingen durchgeführt, die zu einem explosionsartigen Versagen führten. Das Bruchbild war ähnlich wie beim Bruchrahmen.

"Hersteller hat offensichtlich keinen Fehler gemacht."

Die serienmäßige Qualitätsüberwachung des Rahmenherstellers mittels Steifigkeitsmessungen hatten bei dem Bruchrahmen keine Unregelmäßigkeiten erkennen lassen. Zurzeit wird der Bruchrahmen noch vom Rahmenhersteller auf versteckte Fertigungsfehler hin untersucht.

Der Hersteller hat offensichtlich keinen Fehler gemacht und der Fahrer auch nicht - trotzdem kam es zum Versagen. Wie war das möglich? Ein unerkannter Fertigungsfehler ist ebenso in Betracht zu ziehen wie eine unzureichende Festigkeit der Rahmenrohre. Unabhängig von der Schadensursache - ob Konstruktions-/Fertigungsfehler des Herstellers oder Überlastung/Vorschädigung durch den Nutzer - entscheidend war, dass das gefährliche Sprödbruchverhalten dieses Rahmens nicht rechtzeitig erkannt wurde.

Um das Defizit der Norm zu beheben, hat EFBe begonnen, neue statische und Überlast-Prüfungen für unterschiedliche Rahmentypen zu entwickeln. Da Sprödbrüche nicht nur im Wiegetritt auftreten können, sind spezielle Prüfungen für unterschiedliche Lastfälle erforderlich. Das Interesse auf Herstellerseite ist groß, denn künftig wird man bei Carbon-Rahmen und -komponenten nicht nur auf gute Steifigkeitswerte bei geringem Gewicht achten, sondern auch wieder auf ein ausreichend zähes Bruchverhalten.

8. Oktober 2007 von Pressemitteilung

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