
Digital - Veloconnect
Neue DiBike feilt an der digitalen Zukunft der Branche
Auch wenn Veloconnect als offener Standard von der gesamten Branche genutzt wird, war er in den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten vor allem ein Kind des VSF. Dieser hatte nicht nur die entsprechenden Rechte gehalten, sondern mit verschiedenen Zuständigkeiten auch immer wieder dessen Entwicklung vorangetrieben. Viele Jahre war das mit der Person von Thomas Schwerdtner verbunden, der als Fahrradhändler und VSF-Mitglied den Standard angestoßen und maßgeblich geprägt hatte. Später ergriff dann Dirk Sexauer als Co-Geschäftsführer des VSF den digitalen Staffelstab. Seit dessen Abschied beim Verband war die Verantwortung für Veloconnect zuletzt vakant. Die entsprechende Stelle neu zu besetzen, geriet für den VSF zu einer nur schwer lösbaren Aufgabe, wie Verbandsgeschäftsführer Uwe Wöll im Gespräch mit velobiz.de erklärt: »Wir haben überlegt, finden wir jemand, der sich komplett mit diesem Themenkomplex befassen kann, der die Branche, aber auch die digitale Welt versteht und der auch noch bezahlbar ist? Es wurde schnell klar, dass wir diese Stelle kaum besetzt bekommen.«
Erschwert wurde die Verantwortung für Veloconnect dadurch, dass sich die finanzielle Unterstützung der Weiterentwicklung und Organisation auf immer weniger Marktteilnehmer verteilte. »Also haben wir uns Gedanken über Partnerschaften gemacht und erkannten irgendwann, dass die beste Partnerschaft aus unserer Handelssicht eine mit der anderen Nutzerseite von Veloconnect wäre, also mit der Industrie«, erklärt Wöll. In Folge seien bereits 2021 die ersten Gespräche mit dem ZIV über die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft für Veloconnect gelaufen.
»Das Thema Leasing ist ein sehr dickes Brett. Aber wir können sicherlich gewisse Schmerzpunkte lösen.«
Nick Becker, DiBike
»Ich erinnere mich gut daran, wie Uwe Wöll gesagt hat, Veloconnect sei zu groß geworden, zu wichtig und zu zentral. Das Thema müsse deshalb auf mehr Schultern verteilt werden. Wir als Verbände müssten deshalb gemeinsam Verantwortung übernehmen«, erklärt Burkhard Stork, Geschäftsführer des ZIV.
Mit vereinten Kräften ist es nun auch gelungen, die richtige Person für die künftige Lenkung von Veloconnect zu gewinnen. Nick Becker ist als frischgebackener Geschäftsführer der DiBike, an der VSF und ZIV jeweils 50 Prozent halten, in Branchenkreisen kein Unbekannter. Der Wahlschweizer kann auf eine langjährige Karriere im Fahrradmarkt unter anderem bei Croozer, Thule und zuletzt beim eidgenössischen Fahrradhersteller Tour de Suisse zurückblicken.
Dass jemand mit viel Industrie-Know-how nun die Geschicke des Branchenstandards lenkt, ist auch begründet mit dessen zunehmender Bedeutung für die Anbieterseite im Fahrradmarkt, wie Nick Becker erklärt: »Es gibt Händler, die mittlerweile sagen, sie arbeiten nicht mehr mit Lieferanten zusammen, die keine Veloconnect-Schnittstelle bieten. Das sind insbesondere jene Händler, die wirklich gut aufgestellt sind, die die Möglichkeiten ihrer Warenwirtschaft ausreizen und für digitale Lösungen aufgeschlossen sind.«
Als unmittelbare große Herausforderung sieht Becker nun, dass viele Unternehmen noch bei den rudimentären Funktionen der Version 1.1 hängen geblieben sind. »Vor allem jene Anbieter, die eine sehr ausdifferenzierte Software-Architektur haben, tun sich etwas schwerer, eine neue Version einzubinden.« Gleichzeitig würden die Funktionen der jüngeren Versionen, wie etwa der automatische Austausch digitaler Belege, immer mehr Bedeutung gewinnen. »Viele Händler sagen, ich will meine Lieferscheine und Rechnungen nur noch elektronisch erhalten. Und zwar bitte nicht mehr nur als PDF, sondern in einem Format, das direkt verbucht werden kann«, erklärt der DiBike-Geschäftsführer.
Ist der Fahrradmarkt bereits Vorbild der Digitalisierung?
Wenn die Branche über die Digitalisierung des Fahrradmarktes diskutiert, wird häufig Veloconnect als Beleg für ihren Fortschritt angeführt. Diese Wahrnehmung unterschreibt auch Nick Becker: »Ich würde sogar sagen, wir sind da weiter als viele ähnlich strukturierte Märkte. Diese sind teilweise neidisch auf uns, darauf, dass wir mit Veloconnect eine Basis haben und jetzt auch als Branche gemeinsam vorangehen.« So sei es beispielsweise im Textil-, Sport- oder Motorradmarkt vielerorts noch üblich, relevante Produktdaten als Excel-Datei oder mit Insellösungen untereinander auszutauschen. »Mit Veloconnect können alle Händler, die eine Warenwirtschaft haben, bei nahezu allen wichtigen Lieferanten aus ihrem System heraus direkt bestellen. Dass das so niedrigschwellig ist und man nur eine Warenwirtschaft braucht, das gibt es in dieser Form in keiner anderen Branche«, erklärt Becker. Uwe Wöll vom VSF ergänzt: »Ich will auch noch mal betonen, dass wir hier eine Schnittstelle haben, die es nicht nur schafft, die Kommunikation zwischen Händlern und Lieferanten herzustellen, sondern die auch unabhängig ist und die darüber hinaus bislang sogar kostenlos ist. Es gibt vielleicht auch in anderen Branchen ähnliche Lösungen, die möglicherweise sogar manches besser können. Aber dort sind es immer kommerzielle Dienstleister, die das anbieten. Damit begibt man sich als Branche, sobald deren Lösungen zum Standard werden, in eine kommerzielle Abhängigkeit. Solch eine Abhängigkeit zu vermeiden, war eines unserer wichtigsten Anliegen. Dass wir als Verbände zusammenarbeiten, hat auch damit zu tun, dass, auch wenn Veloconnect in Zukunft nicht mehr kostenfrei sein könnte, wir die Preisgestaltung immer noch selbst im Griff haben, sodass Veloconnect für alle, die daran beteiligt sind, bezahlbar bleibt.«
»Ich hoffe sehr, dass Veloconnect künftig das digitale Transportmittel für alle relevanten Daten ist.«
Burkhard Stork, ZIV
Die DiBike wurde zudem nicht gegründet, um sich auf dem bisher schon Erreichten auszuruhen. Vielmehr bringen einerseits neue Spielregeln für den Fahrradmarkt, wie etwa der künftig verpflichtende digitale Batteriepass, sowie auch Veränderungen in den Marktstrukturen ständig neue Herausforderungen für einen Branchenstandard wie Veloconnect. »Auch wenn die neue Bundesregierung und die EU-Kommission das eine oder andere Thema nun langsamer angehen wollen, müssen wir uns als Branche darauf vorbereiten, dass zum Beispiel ein Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz kommt. Da hat dann ein Kunde, der beim Händler einen Reifen kauft, das Recht, nachzugucken, wo der Kautschuk für diesen Reifen herkommt. Das muss künftig quasi am Reifenmantel digital dranhängen. Vom Sourcing bis in den Laden werden wir als Branche die digitale Weitergabe von solchen Informationen hinbekommen müssen. Ich hoffe sehr, dass nicht mehrere Anbieter nun versuchen, dafür ihre eigenen Insellösungen zu etablieren, sondern dass Veloconnect künftig das digitale Transportmittel für alle relevanten Daten ist«, erklärt ZIV-Frontmann Burkhard Stork.
Lösung für Leasing in Sicht?
Fragt man hingegen Fahrradhändler, wo der digitale Schuh gerade ganz besonders drückt, würde wohl der Datenaustausch mit Leasing-Anbietern am häufigsten genannt. Uwe Wöll, der mit dem VSF vor allem Fahrradhändler repräsentiert, sieht das Thema ebenfalls sehr weit oben auf der Prioritätenliste: »Das ist eine ganz klare Anforderung aus dem Handel, dass wir mit Veloconnect den Umgang mir den vielen Leasing-Anbietern im Markt vereinfachen. Wie leicht sich das umsetzen lässt, hängt aber auch von der Gegenseite ab, also von den Leasing-Anbietern. Können die sich auf bestimmte Standards einigen oder wollen die vielleicht ganz bewusst so divers bleiben, um sich von dem Wettbewerb zu unterscheiden? Das jedenfalls wird eine Standardisierung nicht leicht machen.«
»Das ist eine ganz klare Anforderung aus dem Handel, dass wir mit Veloconnect den Umgang mit den vielen Leasing-An-bietern im Markt vereinfachen.«
Uwe Wöll, VSF
»Das Thema Leasing ist ein sehr dickes Brett. Wir müssen da auch realistisch bleiben. Wir werden nicht den kompletten Prozess von A bis Z abbilden können. Aber wir können sicherlich gewisse Schmerzpunkte lösen«, ergänzt Nick Becker. So sei beispielsweise denkbar, mit Veloconnect künftig einzelne Prozessschritte im Leasing wie beispielsweise Kunden- und Fahrzeugdaten mit Rahmennummer, Seriennummer, Motornummer etc. zu übertragen. »Da, glaube ich, werden wir schnell was auf den Weg bringen, weil wir da auch von den Leasing-Gebern eine Gesprächsoffenheit erfahren.«
Ist das dann vielleicht schon eine Version 2.0 von Veloconnect, nachdem sich die bisherigen Generationen immer noch von 1.1 bis 1.6 bezifferten? »Ein reines Weiterzählen der Versionsnummer reicht dafür nicht aus«, sagt DiBike-Geschäftsführer Becker und erklärt: »Ein Versionssprung – egal ob man ihn am Ende 2.0 nennt oder Veloconnect Next – muss mehr leisten. Er muss ein neues Level an Relevanz, Anschlussfähigkeit und Zukunftssicherheit schaffen. Genau das tun wir mit Veloconnect Next. Es bringt nicht nur zusätzliche Funktionen, sondern eine grundlegend modernisierte Struktur: Neue Geschäftsmodelle wie Leasing und digitale Services lassen sich damit erstmals durchgängig abbilden. Gleichzeitig rücken Themen wie eindeutige Identifikation, effizientere Datenflüsse und vernetzte Lieferketten stärker in den Fokus – auch im Hinblick auf kommende Anforderungen wie den digitalen Produktpass oder die EUDR (die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten, Anm. d. Red.). Wir gehen diesen Schritt bewusst nicht als Bruch, sondern als Migration an – unterstützt durch technische Brücken und Integration mit bestehenden Systemen. Aus meiner Sicht ist Veloconnect Next also genau das, was andere vielleicht 2.0 nennen würden – nur eben praxisnah gedacht und gemeinsam mit der Branche weiterentwickelt.« //
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