
Regulation - GPSR
Neue Pflichten für mehr Chancengleichheit
Die guten Nachrichten vorneweg: Die neue GPSR erlegt den vorwiegend asiatischen Online-Marktplätzen wie Temu, Alibaba und Co. die gleiche Regulatorik auf, wie sie für innereuropäische Hersteller und Händler gilt. Für Spielzeug müssen nun beispielsweise dieselben niedrigen Schadstoffwerte eingehalten werden wie bei einer Produktion in Europa. Auch für Pedelecs (EPAC), Fahrräder, Bauteile und Zubehör aus Fernost gelten dieselben hohen Sicherheitsanforderungen. Auf Sicht werden dadurch die Zeiten der Billigstangebote mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit enden.
Chancengleichheit und ein einheitlicher Verbraucherschutz sind die erklärten Ziele der EU. Um dies zu erreichen, ist im Dezember 2024 die neue General Product Safety Regulation, kurz GPSR, EU-weit in Kraft getreten. Erklärtes Ziel ist es, dass nur sichere Produkte in allen 27 Ländern der Europäischen Union in Verkehr, das heißt an die Kundinnen und Kunden gebracht werden.
Damit ist die grundsätzliche Zielsetzung mit den abgelösten Vorgänger-Verordnungen und -Richtlinien ab 1989 deckungsgleich. Da passt es auch ins Bild, dass fortan nicht nur an Pedelecs (EPAC) strenge Maßstäbe an das Prüfwesen und an die technische Dokumentation, sprich den Nachweis der Konformität zur Regulatorik, angelegt werden, sondern auch an »normale« Fahrräder, an sämtliche einzeln vertriebenen Bauteile und an Zubehörprodukte.
Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass die ersten Marktaufsichtsbehörden Stichproben im Handel ziehen werden und dadurch kontrollieren, ob die Hersteller die in der GPSR definierten Pflichten eingehalten haben. Nimmt man den aktuellen Branchenstand, sind Verkaufsverbote vorprogrammiert. Genau das sollten Händler zusammen mit den Herstellern jedoch tunlichst vermeiden.
Sicherheit für Verbraucher innerhalb der EU oberstes Ziel
In erster Linie müssen bei Fachhandelsprodukten selbstverständlich Hersteller respektive Importeure sicherstellen, dass am Markt bereitgestellte Produkte sicher sind und den geltenden Vorschriften entsprechen. Das bedeutet, dass die reine Erfüllung einer Norm nicht ausreichen kann beziehungsweise wird.
Ein solch hohes Sicherheitsniveau muss in erster Linie durch die Gestaltung und die Merkmale des Produkts erreicht werden. Das kennt man im Grunde bereits aus der Maschinenverordnung, Stichwort inhärente Sicherheit, die schon vorher für Pedelecs (EPAC) anzuwenden war.
Berücksichtigt werden müssen die beabsichtigte und vorhersehbare Verwendung sowie die beabsichtigten und vorhersehbaren Verwendungsbedingungen des Pedelecs, Fahrrades, Bauteils oder Zubehörs. Vorhersehbar kann zum Beispiel bedeuten, dass an einem Pedelec (EPAC) ein Kinderanhänger gezogen wird. Deshalb muss ein Hersteller diesen Belastungsfall in seiner Konstruktion, in der Fertigung und in seiner Qualitätssicherung mit einbeziehen.
Lediglich etwaige Restrisiken sollten durch bestimmte Sicherheitsvorkehrungen, etwa Warnhinweise und Anweisungen, gesenkt werden.
Darüber hinaus müssen für alle Bauteile und Fahrräder Risikobeurteilungen durchgeführt und technische Dokumente erstellt werden.
Gebrauchtradhandel hinterfragen
Wichtig für Händler: Die Sicherheitsmaßstäbe werden im gleichen Maße an neue wie an gebrauchte, reparierte oder wiederaufgearbeitete Produkte angelegt, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden. Im Ergebnis müssen sich Fachhändler ernsthaft Gedanken darüber machen, ob gelegentlicher professioneller Gebrauchtradverkauf mit älteren
oder unbekannten Fahrrädern noch attraktiv ist. Bei selbst verkauften, hochwertigen, Scheckheft gepflegten und unfallfreien Leasing-Rückläufern kann der Händler die geforderte Sicherheit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hinreichend bestätigen. Daher gilt es diesbezüglich einen standardisierten Prozess im Unternehmen zu installieren.
Mit Sicherheit ist der Verzicht auf Gebrauchtradhandel bei den meisten Fachhändlern kein großer Schmerz. Jedoch bietet die Verordnung weitere gravierende Änderungen gegenüber den Vorgängerrichtlinien. Insbesondere wurde der Kreis der Verantwortlichkeit erweitert. In der GPSR heißt es wörtlich: »Hersteller, Importeure und Händler müssen sicherstellen, dass ihre Produkte sicher sind und den geltenden Vorschriften entsprechen.« Das ist ein harter Einschnitt, denn bis Ende 2024 konnten Händler bei aus Materialversagen resultierenden Schadenfällen direkt auf den Hersteller verweisen. Künftig werden sie sich vermehrt mit Haftungsansprüchen auseinandersetzen müssen.
Welche neuen Pflichten gelten für Händler?
Schon beim Einkauf von Pedelecs, Fahrrädern, Bauteilen und Zubehör tun Händler gut daran, einen (standardisierten) Fragenkatalog in den Beschaffungsprozess zu implementieren. Hintergrund ist, dass die GPSR unmissverständlich fordert, dass Händler Produkte nur auf dem Markt bereitstellen dürfen, wenn sie sich vergewissert haben, dass der Hersteller und gegebenenfalls der Einführer einige grundsätzliche Anforderungen erfüllt haben.
Im Wesentlichen müssen die Händler prüfen, ob Hersteller gewährleisten, dass ihre Produkte eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes für Verbraucher leicht erkennbares und lesbares Element zu ihrer Identifizierung tragen. Sollte dies aufgrund der Größe oder Art des Produkts nicht möglich sein, können die erforderlichen Informationen auf der Verpackung oder in dem Produkt beigefügten Unterlagen angegeben werden. Für Fahrräder und viele Fahrradbauteile dürfte diese Ausnahme allerdings nicht zutreffen.
Wie seit Jahren schon für Pedelecs (EPAC) gefordert, müssen Hersteller nun ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke, ihre Postanschrift und ihre E-Mail-Adresse sowie, falls abweichend, die Postanschrift oder die E-Mail-Adresse der zentralen Anlaufstelle, unter der sie kontaktiert werden können, anbringen. Auch diese Informationen müssen auf dem Produkt selbst oder, wenn dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder in dem Produkt beigefügten Unterlagen angebracht werden.
Darüber hinaus müssen Händler prüfen, ob dem Produkt klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen in einer Sprache beigefügt sind, die für die Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedstaat festlegt, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird. Diese Anforderung gilt nicht, wenn das Produkt auch ohne solche Anweisungen und Sicherheitsinformationen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen, verwendet werden kann. Auch hier dürfte es für die Fahrradbranche wenig Schlupflöcher geben, denn auch scheinbar banales Zubehör, wie zum Beispiel Schutzbleche, Radcomputer oder ein Paar neue Pedale, können Gefahren für die Gesundheit des Nutzers bergen.
Im Ergebnis wird nicht verlangt, die Herstellerpflichten komplett abzubilden. Die GPSR fordert ein vernünftiges Maß an rein optischer Wareneingangskontrolle – das sollte ein seriöser Fachhändler leisten können und ohnehin auch wollen.
Was tun, wenn ein Produkt nicht konform ist?
Sollte ein Händler aufgrund der ihm vorliegenden Informationen der Auffassung sein oder Grund zu der Annahme haben, dass ein Produkt nicht konform ist, so darf er es schlicht nicht auf dem Markt bereitstellen. Das heißt, er muss die Ware sofort sperren und aus dem Verkauf nehmen. Unverzüglich muss er im nächsten Schritt den Hersteller beziehungsweise den Einführer davon unterrichten.
»Schon beim Einkauf von Pedelecs, Fahrrädern, Bauteilen und Zubehör tun Händler gut daran, einen (standardisierten) Fragenkatalog in den Beschaffungsprozess zu implementieren.«
Dirk Zedler, Zedler Institut
Doch damit nicht genug, die GPSR fordert weiterhin, dass der Händler sicherstellen muss, dass die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um die Konformität des Produkts auf wirksame Weise herzustellen. Gegebenenfalls kann das auch eine Rücknahme vom Markt oder einen Rückruf für das Produkt bedeuten.
Zu guter Letzt hat ein Fachhändler bei potenziell gegen die GPSR verstoßenden Produkten ergänzend sicherzustellen, dass die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten, in denen das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wurde, unverzüglich davon unterrichtet werden.
Speziell dazu betreibt die Europäische Union das Safety-Business-Gateway, vormals RAPEX. Diese Plattform dient als Informationsmedium der europäischen Marktaufsichtsbehörden. Nach der Prüfung der Sach- bzw. Gefahrenlage durch die zuständige Behörde sind als nicht konform deklarierte Produkte für jedermann frei einsehbar.
Fazit
Die seitens der EU präzisierte und auch verschärfte Produktsicherheits-Verordnung (GPSR) erweitert den Umfang der Produkte, die unter die Regulatorik fallen, und nimmt den Handel stärker mit in die Verantwortung. Dies begründet zudem die Notwendigkeit für Hersteller und Importeure, mit Händlern enger zusammenzuarbeiten. Andererseits – und das ist gut so – sind die unbeschwerten Zeiten einiger bis dato nahezu unregulierten Online-Marktplätze nun vorbei. //
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