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Gebrauchten Elektromotoren kann neues Leben eingehaucht werden.
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Fraunhofer forscht

Neues Leben für gebrauchte E-Bike-Motoren möglich

Wie können sich gebrauchte E-Bike-Motoren im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft aufarbeiten lassen? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung.

Für defekte Komponenten wie Motoren oder Akkus gibt es oftmals keinen Ersatz, oder sie werden als Ganzes gegen teure neue Komponenten getauscht. Gebrauchte E-Bike-Motoren müssen aber nicht auf der Müllhalde laden, denn sie lassen sich industriell aufarbeiten. Wie das gehen kann, zeigt ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in einer Studie. Gemeinsam mit den Partnern cirp GmbH, Electric Bike Solutions GmbH, dem Trägerverein Umwelttechnologie-Cluster Bayern e.V. und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH untersuchten sie die technische Machbarkeit der Refabrikation von Elektrofahrradmotoren. Dazu sollte die gesamte Prozesskette des Remanufacturing – von der zerstörungsfreien Demontage über die Reinigung, Prüfung, Aufarbeitung bzw. Ersatz durch Neuteile bis hin zur Remontage – unter die Lupe genommen werden und deren ökologisches und ökonomisches Potenzial analysiert werden. Darüber hinaus wollten die Forschenden den Einsatz additiver Fertigungsverfahren und geeignete Kombinationen aus Verfahren und Werkstoff zur Herstellung langlebiger und belastbarer Ersatzteile prüfen.

»Fallen der Motor oder der Akku aus, wird in der Regel die gesamte Komponente getauscht, obwohl möglicherweise nur ein Zahnrad defekt ist. Für Elektrofahrrad-Werkstätten lohnt sich die Reparatur oftmals nicht, und auch die Hersteller haben ein großes Interesse daran, alte Motoren, die die größten Kostentreiber beim E-Bike sind, durch neue zu ersetzen«, beschreibt Jan Koller, Projektleiter und Gruppenleiter am Fraunhofer IPA, das Dilemma. »Unser Ziel war es, ein Werterhaltungsnetzwerk umzusetzen, indem wir mit dem Remanufacturing einen industriellen Prozess etablieren, bei dem eine größere Stückzahl von 50 bis 100 Motoren in den Aufarbeitungsprozess geht.«

Kostenloser Download

Im ersten Schritt haben Koller und sein Team Elektrofahrradmotoren etablierter Hersteller auf ihre Ausfallwahrscheinlichkeit untersucht. Dann prüften sie, ob und unter welchen Bedingungen sich Ersatzteile mit einer hohen Verschleißrate wie Zahnräder und Drehmomentstützen additiv fertigen lassen. Die notwendigen Daten für den 3D-Druck gewannen die Wissenschaftler abhängig von der Geometrie der Komponenten entweder durch 3D-Modellierung oder 3D-Digitalisierung. Anschließend wählten sie Werkstoffe und additive Verfahren aus.

Zusammen mit den Unternehmen cirp und Electric Bike Solutions fertigte das Fraunhofer IPA schließlich die Komponenten und prüfte ihre Lebensdauer, Geräuschentwicklung und Temperaturbeständigkeit in eigens entwickelten Prüfständen und unter realen Belastungen. Insgesamt wurden über 120 Bauteile aus 20 verschiedenen Werkstoffen aus dem 3D-Drucker hergestellt. Als besonders vielversprechend erwies sich das Highspeed-Sintering, ein spezielles Verfahren zur Herstellung oder Veränderung von Werkstoffen, in Kombination mit dem Kunststoff Polyamid 12 (PA12). Die Projektergebnisse sind in der Studie »Additive Refabrikation in der Elektrofahrradbranche« zusammengefasst, die kostenlos zum Download zur Verfügung steht.

Mit der Remontage und dem Test unter realen Einsatzbedingungen konnten die Projektpartner die technische Machbarkeit und Haltbarkeit nachweisen. Die Forschungsergebnisse zeigten, dass einzelne Bauteile wie Getriebezahnräder additiv gefertigt und nachhaltig eingesetzt werden können. »Am Ende der Prozesskette erhält man durch das Remanufacturing einen Fahrradmotor, der in puncto Qualität einem neu gefertigten Motor entspricht und auch dieselbe Garantie umfasst«, sagt Koller.

Ökologische Bewertung

Ein wichtiger Aspekt war zudem die ökologische Bewertung des Refabrikationsprozesses im Vergleich zur Neufertigung. »Die additive Fertigung bietet das Potenzial, die Kreislauffähigkeit in der Elektrofahrradbranche zu steigern und die Verschwendung von Ressourcen zu mindern. 90 Prozent der Auswirkungen auf das Klima, berechnet in Kilogramm-CO2-Äquivalenten, lassen sich im Vergleich zur Neuproduktion einsparen«, so der Wirtschaftsingenieur. Das wirtschaftliche Einsparpotenzial hingegen ist stückzahlabhängig und liegt bei vergleichbaren Komponenten in der Regel bei ungefähr 30 bis 40 Prozent im Vergleich zum Neukauf des Elektromotors. Dadurch bietet die Refabrikation auch für die Hersteller der Elektromotoren großes Potenzial.

Lernfabrik eröffnet

Zur Verstetigung der im Projekt erzielten Ergebnisse wird die Prozesskette der Refabrikation von Elektrofahrradmotoren in der neuen Lernfabrik für Remanufacturing RemanLab am Fraunhofer IPA in Bayreuth umgesetzt und erlebbar gemacht. Das RemanLab wird am 23. Mai 2023 eröffnet. Unternehmen erhalten in der realistischen Lernumgebung, die alle erforderlichen Prüfstände umfasst, einen Einblick in die Zukunft nachhaltiger Produktion.

Das RemanLab wird vom 27.-29. Juni auf der Messe ReMaTec 2023 in Amsterdam (Innovation Area) präsentiert.

5. Mai 2023 von Pressemitteilung
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