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Report – Urban Bikewear

Nicht nur für Nerds

Der Radverkehr in der Stadt nimmt zu – E-Bike und Pandemie sei Dank. Aber wirkt sich das auch auf den Bereich der Urban Bikewear aus?

Die Pandemie und wiederkehrende Lockdownphasen sowie immer neue Beschränkungen haben den Einzelhandel leiden lassen. Laut Statistischem Bundesamt gingen die Einzelhandelsumsätze insgesamt zurück. Nur bei Sport- und Campingartikeln sowie Fahrrädern nicht. Da gab es sogar ein Plus, der Destatis-Bericht beschreibt diese Branche als die »mit den höchsten Umsatzzahlen im Einzelhandel überhaupt«.
Das ist nicht verwunderlich, denn die vergangenen beiden Jahre wirkten wie ein Beschleuniger, was die Beliebtheit des Fahrradfahrens angeht. Dem Fahrrad-Monitor 2020 zufolge gaben 25 Prozent der befragten Menschen in Deutschland an, deutlich bzw. etwas häufiger Rad zu fahren. 61 Prozent erklärten, dass sie dies täten wegen eines höheren Schutzes vor Corona-Ansteckung als mit anderen Verkehrsmitteln.
Viele von ihnen dürften mit diesen anderen Verkehrsmitteln zuvor den Weg ins Büro und wieder nach Hause zurückgelegt haben. Es handelt sich also um Fahrradpendler. Und Menschen, die das Rad als Vehikel nutzen, um von A nach B zu kommen, haben andere Ansprüche als solche, die sportlich Rad fahren. Andere Ansprüche an ihr Bike, aber auch an ihre Bekleidung.
Die sollte nämlich zum einen funktional sein, zum anderen aber nicht so aussehen als käme man gerade aus der Spinningstunde. Hier setzt die Urban Bikewear an. Dieses Segment gab es dank der wachsenden Beliebtheit von E-Bikes bereits vor Corona und es beinhaltet Kleidung, die nach Alltag aussieht, aber gleichzeitig auf die Aktivität im Sattel ausgelegt ist. Oder wie Nico Thomas aus dem Purchasing Department von Sporthändler Globetrotter es ausdrückt: »Es ist alles, was Radfahren in der Stadt komfortabel macht, ohne dämlich auszusehen.« Mann beziehungsweise Frau möchte gut gekleidet ins Office oder Restaurant radeln, ohne sich nach der Ankunft extra umziehen zu müssen.


Gut angezogen und dennoch perfekt fahrradtauglich: Das ist der Anspruch von aktueller urbaner Bikewear.

Nach Funktion suchen, nach Optik kaufen

Der Komfort-Gedanke sei in diesem Bereich extrem wichtig, weiß Nico Thomas: »Die Leute möchten möglichst wenig Scherereien mit der Bekleidung haben.« Es erfordert also mehr, als ein klassisch-sportliches Trikotmaterial zu nehmen und daraus ein T-Shirt zu machen. »Schnitt, Farbe und Materialien sind sehr aktivitätenspezifisch, das gilt auch für die Urban Bikewear«, bestätigt Alisa Focke, Bike-Produktmanagerin bei Vaude. Der Tettnanger Sportswear-Spezialist setzt in dieser Sparte vermehrt auf recycelte Materialien aus PET oder Kaffeesatz sowie auf biobasierte Materialien wie Biobaumwolle, zertifizierte Wolle oder Wood Fiber. Das ist zu 100 Prozent abbaubare Holzfaser (Cellulose).
Pearl Izumi verwendet unter anderem PI Dry, eine dauerhafte, hydrophobe Behandlung für Strick- oder Webmaterial, die dafür sorgt, dass die Fasern Wasser abweisen, ohne dabei die Atmungsaktivität oder Haptik des Materials zu beeinflussen. Daraus entstehen dann Jeanshosen oder auch Jacken, die lässig geschnitten, aber topfunktional sind, wie Silvia Schöner von Deutschland-Vertreiber Paul Lange erklärt. Auch der Mönchengladbacher Hersteller Alberto (Im Porträt: Marktführer für Entdecker ) setzt auf legere Optik mit Zusatznutzen, mit einer Bikejeans, die eine wasser- und schmutzabweisende Beschichtung sowie Reflektoren an den hinteren Taschen und Hosenaufschlägen hat. Außerdem ist deren Stretch-Anteil hoch, damit sie Bewegungen mitgeht und nicht so schnell verschleißt.
Solche schlauen Features sollen die Menschen, die das Rad im Alltag nutzen, abholen. Dass dies durchaus klappt, wenn der Handel entsprechend berät, hat Globetrotter-Fachmann Nico Thomas beobachtet: »Die Kundinnen und Kunden fragen nicht explizit nach alltagstauglicher Kleidung fürs Radpendeln. Sie möchten etwas für einen bestimmten Zweck, zum Beispiel, wenn es regnet oder kalt ist. Wenn die Hose oder Jacke nicht nur diesen Zweck erfüllt, sondern auch alltagstauglich ist, kommt das bei den meisten super an.«
Sie darauf aufmerksam zu machen, dass es solche Bekleidung gibt, sieht er als den Job der Beraterinnen und Berater im Sportfachhandel. Dort sowie im Radsportfachhandel verzeichnen auch Pearl Izumi und Vaude die besten Absatzzahlen: »Ob das Segment auch bei kleineren Fahrradhändlern funktioniert, hat viel damit zu tun, ob sich der Händler des Themas Bekleidung grundsätzlich annimmt und diese Sortimente entsprechend präsentiert«, glaubt Gernot Moser, Head of Sales Bike Sports bei Vaude. Wenig erfolgversprechend sei es, ein paar urbane Bikebekleidungsteile ins Eck zu hängen und abzuwarten.


Die Spannbreite von urbaner Fahrradbekleidung ist sehr weit. In der Regel spielen die Kollektionen ein eher legeres Erscheinungsbild.

Ist doch Jacke wie Hose?

Besonders gut laufen laut Silvia Schöner Jacken und Hosen des eigenen Programms. Bei Vaude sind Bekleidung für Regen und Windschutz, aber »auch Statement-Shirts und Pullover, die eine Message transportieren, besonders gefragt«, sagt Alisa Focke. Die lässiger geschnittenen Pullis könnten neben den Alltagsradlern noch bei einer anderen Zielgruppe gut ankommen: den Gravellern. »Dieser Bereich ist sehr vielseitig. Die Bekleidung weicht von der Norm ab und bedient sich im Bereich Urban Bikewear durch individuelle Kombinationsmöglichkeiten, die auch über den Einsatzbereich Fahrrad hinausgehen«, glaubt die Modeexpertin Schöner von Paul Lange.
Größter »Anschieber« der Urban Bikewear dürfte jedoch nach wie vor das E-Bike beziehungsweise eine immer größer werdende Anzahl an E-Bikerinnen und Bikern sein. Die nutzen das motorisierte Rad in vielen Fällen nicht sportlich, sondern als Auto- oder Öffi-Ersatz. Immerhin wuchsen allein im ersten Halbjahr 2021 laut Marktreport des Zweirad Indus­trie-Verbands (ZIV) die Verkaufszahlen für E-Bikes in Deutschland auf 1,2 Millionen, das sind 9,1 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
»Urban Bikewear ist definitiv keine Nerd-Nische mehr«, ist Gernot Moser überzeugt. Bei den Tettnanger Sportbekleidungsspezialisten wächst der (noch kleinste) Bereich, die Kollektion wird ausgebaut. Bei Maloja und auch bei Rapha gibt es aktuell lediglich ein paar wenige Teile. Zumindest Letztere planen jedoch nach eigenen Angaben, den City-Bereich ausbauen zu wollen. Damit springen sie auf einen Zug auf, der vielleicht genau jetzt Fahrt aufnimmt. Gernot Moser von Vaude sieht zumindest eine steigende Tendenz im Bereich Urban Bikewear, ebenso Silvia Schöner von Paul Lange. Vor knapp zwei Jahren wurde der Anteil von urbaner Fahrradbekleidung am Gesamtmarkt auf rund zehn Prozent geschätzt (velobiz.de-Magazin 04/2020), mittlerweile dürfte er etwas höher liegen. Exakte Zahlen dazu gibt es aber nicht.
Trotzdem: Es könnte sich sowohl für Händler als auch für Hersteller lohnen, sich den Bereich der Urban Bikewear genauer anzuschauen. Potenzial ist vorhanden. Wenn, dann aber bitte mit Ernsthaftigkeit und Detailliebe, denn, so ist Nico Thomas von Globetrotter überzeugt, »viele Firmen denken, dass sich durch den Bikeboom was holen lässt, aber das muss schon durchdacht sein, sonst gibt es keinen USP – und der ist wichtig. Der Kunde möchte was bekommen fürs Geld.« Dazu gehört neben Funktion und Schick auch eine gute Beratung.

3. März 2022 von Carola Felchner

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