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Recht - Plattformvertrieb

Plattformvertrieb »ja, klar« – aber wie?

Für einen eigenen Onlineshop fehlt es im Handel oft an den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen. Genau diese Zielgruppe wollen spezialisierte Plattformen ansprechen und mit einfachen Strukturen und schnellem Zugang überzeugen. Selbstverständlich müssen Händler und Hersteller trotzdem mit den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut sein.

Amazon und Ebay sind im Fahrradhandel weniger relevant als die ebenso vorhandenen spezialisierten, aber kleineren Plattformen.Amazon und Ebay sind im Fahrradhandel weniger relevant als die ebenso vorhandenen spezialisierten, aber kleineren Plattformen.

Der Internetvertrieb ist für viele Fahrradhändler ein wichtiger, für viele sogar ein zentraler, Vertriebskanal geworden. Die Einrichtung eines eigenen Web-Shops ist jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden ist und kommt heute meist nur für größere Markenanbieter und Händler ernsthaft in Betracht. Plattformen unterschiedlichster Couleur bieten daher nicht selten eine interessante Alternative. Diese spielen aber oft nach ihren eigenen Spielregeln, mit denen man sich als Teilnehmer genau vertraut machen sollte.
Nachfolgend erläutert die Rechtsanwältin Dr. Daisy Walzel einige rechtliche Eckpfeiler und geht dabei auch auf aktuelle Gesetzesänderungen und -vorhaben betreffend Plattformen ein.

Plattform ist nicht gleich Plattform

Zunächst ist zu klären, was mit dem Begriff »Plattform« gemeint ist, denn es handelt sich nicht um einen definierten Rechtsbegriff. Tatsächlich haben Händler bei näherem Hinsehen mindestens drei Möglichkeiten, Waren über Plattformen (im weitesten Sinne) zu vertreiben.

Plattform als Webshop (Modell 1)

Denkbar ist, dass ein Händler seine Ware schlicht an einen Dritten verkauft, der die Ware im Internet anbietet. Aus Händlersicht ist die Plattform bzw. der Webshop nichts anderes als ein »normaler« Gewerbekunde. Aus Endkundensicht kann ein solcher Webshop den Eindruck einer »Plattform« erwecken, weil ein breites Produktsortiment angeboten wird. Spätestens beim Verkaufsabschluss wird aber deutlich, dass lediglich der betreffende Webshop-Anbieter Vertragspartner des Endkunden wird.
Webshop-Anbieter werden nur selten ein kommerzielles Interesse an einem Warenbezug von Händlern haben. Denn diese werden die Waren in der Regel nicht günstiger verkaufen können als die direkten Hersteller/Lieferanten selbst. Eine Ausnahme kann freilich für gebrauchte Fahrräder oder Teile bestehen. Denn für diese Produkte gibt es nur begrenzte Bezugsquellen. Im Gebrauchtsegment ist etwa die Plattform Greenstorm stark.

Plattform als Marktplatz (Modell 2)

Die zweite Variante besteht darin, dass Händler ihre Produkte über eine Verkaufsplattform platzieren, die lediglich als Vermittler zwischen dem Händler und dem Endkunden auftritt. Beispiele für solche Plattformen sind etwa (soweit aus den Online-Auftritten erkennbar) Bike-Exchange, Velocollect und Velomotion sowie die branchenübergreifend tätigen Marktplätze Amazon und eBay. In diesem Fall kommt der Kaufvertrag über das betreffende Produkt zwischen dem Händler (nicht also der Plattform) und dem Endkunden zustande. Aus Händlersicht bietet dies den Vorteil, dass er den Kontakt zum Endkunden behält, sich aber gleichzeitig die größere Reichweite der Plattform zunutze macht. Auch in der Preisgestaltung bleibt er (jedenfalls formal) frei. Ein entscheidender Nachteil liegt aber darin, dass die betreffende Plattform nicht selten eine nicht unerhebliche Vermittlungsgebühr fordert. Dem Vernehmen nach liegt beispielsweise aktuell die von Amazon verlangte Provision bei mehr als 15 % des Verkaufspreises.

Mischmodelle (Modell 3)

Denkbar sind auch vermittelnde Konzepte, bei denen der Versand der Ware durch den Händler/Anbieter über ein Streckengeschäftsmodell erfolgt. Der Plattformanbieter vermeidet so das kommerzielle Risiko eines hohen Warenbestandes, kann sich aber gleichzeitig mit einem breiten Produktportfolio gegenüber den Endkunden profilieren. Für den Händler/Anbieter bietet dieses Modell den Vorteil, dass er die gesteigerte Reichweite der Plattform für den Produktabsatz nutzen kann.
Vorstellbar ist auch, dass Händler ihre Produkte erst dann auf einem Webshop (gegenüber dem Plattformanbieter oder gegenüber den Endkunden) anbieten können, wenn das betreffende Produkt durch den Web-Shop-Anbieter selbst nicht oder nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung steht (Nachrückverfahren). Im Modehandel ist beispielsweise Zalando diesen Weg gegangen.

Preisgestaltung

Ein zentrales Element jedes Modells ist die Preisgestaltung im Verhältnis zum Endkunden. Gelingt es nicht, einen »marktgerechten« Preis zu wählen, ist das Angebot per se unattraktiv.
Die rechtlichen Gestaltungsspielräume der Beteiligten sind jedoch begrenzt. Bekanntlich dürfen Anbieter ihren Abnehmern nicht vorgeben, zu welchen Preisen diese wiederum ihre Produkte an Endkunden verkaufen dürfen (sogenanntes Verbot der Preisbindung der zweiten Hand). Auch einseitige Einflussnahmen der Anbieter auf das Verkaufspreisniveau ihrer Abnehmer sind unzulässig. Verstöße können zu empfindlichen Bußgeldern führen. Bezogen auf die erörterten Modelle bedeutet dies vergröbert Folgendes:

  • Im Modell 1 setzt die Verkaufsplattform, also der Webshop, die Verkaufspreise. Der Warenlieferant (egal ob Händler oder Hersteller) darf sich nicht einmischen. Er kann allenfalls eine UVP geben.
  • Im Modell 2 setzt dagegen der Händler bzw. der Anbieter, nicht jedoch die Plattform, den Endverkaufspreis. Mischen sich die Plattformen in die Preise ein, und sei dies auch noch so »gut gemeint«, kann dies als Versuch der Preisharmonisierung unzulässig sein und gegebenenfalls zu Bußgeldern führen.
  • Je nach Ausgestaltung ist die Preissetzung im Modell 3 ebenfalls nicht trivial. Denn einerseits sollte die Verkaufspreisbildung den dynamischen Marktgegebenheiten des Online-Handels gerecht werden, was beim Festhalten an eine statische EK-Preisliste kaum möglich ist, andererseits darf der Händler/Anbieter den Preis nicht vorgeben. Die Preisfindung ist daher vor allem aus kommerzieller Sicht anspruchsvoll.

Das Bundeskartellamt (BKartA) hat sich Mitte 2020 mit der Preissetzung auf dem Intersport-Webshop beschäftigt (Pressemitteilung vom 25. Juni 2020). Der Verkauf der Produkte und die Preissetzung erfolgen dort über die Plattform selbst (ähnlich Modell 1 bzw. 3). Die einzelnen Händler können dabei festlegen, zu welchen Preisen sie bereit sind, ein Produkt an die Plattform abzugeben. Der Plattformbetreiber leitete die Bestellvorgänge dann über einen internen Verteilungsschlüssel an einen oder mehrere Händler zur Ausführung weiter. Im Ergebnis billigte das BKartA dieses Modell, auch wenn es den Wettbewerb zwischen den Händlern geringfügig beschränkt. Für die Behörde war entscheidend, dass die Plattform der Vielzahl kleiner Fachhändler letztlich ein attraktives Verkaufsforum bietet.

Welche Rechte haben

gewerbliche Plattformnutzer?

Neben der Preisgestaltung stellen sich bei den Modellen 2 und 3 aber auch weitere Themen.

Ranking

Das Ranking von Waren auf einer Plattform hat erheblichen Einfluss auf die Wahlmöglichkeit der Verbraucher und damit auch auf den geschäftlichen Erfolg der gewerblichen Nutzer. Es ist besonders dann relevant, wenn dasselbe oder ähnliche Produkte (beispielsweise verschiedene farbliche Ausführungen) möglicherweise von mehreren gewerblichen Nutzern auf der Plattform gezeigt werden.
Zwar haben Plattform-Anbieter aus rechtlicher Sicht bei der Wahl der Rankingparameter viel Freiheit. Nach der im Juli 2020 in Kraft getretenen P2B-Verordnung (Platform-to-Business) sind Plattformanbieter jeder Größe(!) aber verpflichtet, in ihren AGB die für das Ranking bestimmenden Hauptparameter sowie die Gründe für die relative Gewichtung dieser Parameter gegenüber anderen Parametern offenzulegen. Für den Fall, dass die gewerblichen Nutzer das Ranking direkt oder indirekt durch ein Entgelt beeinflussen können (etwa in Form eines Sponsorings bestimmter Artikel), sind diese Möglichkeiten ebenso zu erläutern. Mit anderen Worten, die P2B-Verordnung gibt den Plattformanbietern zwar nicht vor, welche Kriterien sie für das Ranking zugrunde legen müssen, sie fordert aber, dass die einmal gewählten Mechanismen transparent gemacht werden. Der Teufel steckt freilich im Detail, denn es ist noch nicht entschieden, wie granular die Transparenzanforderungen tatsächlich sind. Jedenfalls wird man die Erstellung einer Negativ-/Positiv-Liste fordern können (beispielsweise »hohe Retourenquote« versus »hohe Verfügbarkeit«). Verstöße gegen die P2B-Verordnung können zwar keine behördlichen Bußgelder nach sich ziehen. Sie führen aber zur Nichtigkeit der betreffenden Klausel. Möglich sind Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung.

Vertragsbeendigung und -aussetzung, Diskriminierung

Weitere potenzielle Spannungsfelder im Verhältnis Plattformanbieter – gewerbliche Nutzer liegen regelmäßig bei der frühzeitigen Vertragsbeendigung oder einer differenzierten Behandlung, also »Bevorzugung«, bestimmter Waren oder Nutzer. Auch insoweit verlangt die P2B-Verordnung im Kern Transparenz. Seitens des Plattformanbieters sind bestimmte Fristen einzuhalten und Entscheidungen sind zu begründen. Zudem müssen sie interne Beschwerdemanagementsysteme und Möglichkeiten zur Streitschlichtung über Mediation schaffen.

Datennutzung

Die Offenlegungsverpflichtung betrifft auch das komplexe Thema der Nutzung und/oder Generierung von personenbezogenen oder sonstigen Daten. Im Kern muss der gewerbliche Nutzer verstehen können, welche Daten im Zusammenhang mit Transaktionen, die seine Waren betreffen, generiert oder bereitgestellt werden und welche Zugangsmöglichkeiten bestehen.

Welche Rechte haben Nutzer gegenüber Plattformen?

Der deutsche Gesetzgeber hat die Eingriffsbefugnisse des Bundeskartellamts gegen »Big Tech«, darunter wohl auch Amazon, mit Einführung der 10. GWB-Novelle im Januar 2021 gestärkt. Bei Unternehmen mit »überragender marktübergreifender Bedeutung« (UümB) kann nun unter bestimmten Voraussetzungen präventiv eine ganze Reihe von Verhaltensweisen untersagt werden, unter anderem die Selbstbevorzugung von eigenen Angeboten, Behinderungspraktiken, die mit der Datennutzung in Zusammenhang stehen, die Erschwerung der Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Forderung von Vorteilen, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen
(§ 19a GWB).
Anders als mit der P2B-Verordnung können damit – jedenfalls gegenüber den UümB – nun echte Handlungspflichten der Plattformanbieter installiert werden. Verstöße können drastische Bußgelder auslösen. Ob dies im Ergebnis wirkungsvoller ist als die schon lange bestehende »normale« Missbrauchsaufsicht, bleibt abzuwarten. Letztere hat sich als recht zäh erwiesen, auch aufgrund der erheblichen Nachweisanforderungen, die das BKartA für die Darlegung einer marktbeherrschenden Stellung und eines Missbrauchs trifft.

Was plant der Gesetzgeber?

Auf EU-Ebene sind diverse Reformen geplant. Zum einen wird aktuell die sehr praxisrelevante Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung überarbeitet, die den kartellrechtlichen Rahmen für Vertriebsbeziehungen in der EU absteckt. Online-Handel und Plattformvertrieb kommen hier bislang kaum vor. Zum anderen hat die Kommission den Entwurf eines Digital Markets Act vorgelegt. Große Online-Plattformen, die nach bestimmten Kriterien als »Gatekeper« (Torwächter) einzuordnen sind, sollen hiernach ebenfalls engen Verhaltenspflichten unterworfen werden.

10. Mai 2021 von Dr. Daisy Walzel
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