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Recht - Maschinenrichtlinie

Rahmenwechsel für Hersteller rückt näher

Die EU-Kommission hat im Frühjahr dieses Jahres einen ersten Entwurf für eine neue Maschinenrichtlinie vorgelegt. Bisher fallen E-Bikes beziehungsweise Pedelecs unter die Richtlinie, nun sollen sie ausdrücklich ausgeschlossen werden. Was bedeutet der neue regulatorische Rahmen für die Branche?

Um die Konsequenzen zu überblicken, muss man erst einmal verstehen, worum es in der Maschinenrichtlinie überhaupt geht. »Es ist eine sehr abstrakte Konstruktion, das macht sie sperrig«, erklärt Marcus Schröder, Geschäftsführer des Testinstituts EFBE. Im Kern beschreibt sie in schematischen Verfahren, wie Gefahren und Risiken eines Produkts zu bewerten sind und wie diese abgearbeitet werden können, damit Hersteller sichere Produkte in Umlauf bringen. Sie formuliert die Rahmenbedingungen, unter welchen Produkte auf dem europäischen Markt verkauft werden können. Elektrofahrräder jeder Art bis zu einer Unterstützung von 25 km/h und 250 Watt Nenndauerleistung fallen derzeit unter diese Richtlinie, was unter anderem bedeutet, dass sie eine CE-Kennzeichnung benötigen.
»Es wird nichts Unmögliches verlangt«, stellt Schröder klar, »aber sie war nie wirklich für E-Bikes gedacht.« Die Richtlinie sei genauso für eine Saure-Gurken-ins-Glas-steck-Maschine gültig und tatsächlich hätten die Verfasser eher eine solche Maschine im Sinn gehabt als E-Fahrräder. »Pedelecs passen nicht so richtig hinein«, bestätigt auch Ernst Brust, Leiter Technik und Normung beim Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Das Gleiche gelte auch für den Rest der Mikromobilität.
Das Problem liegt vor allem darin, dass in der Maschinenrichtlinie (MR) vieles enthalten ist, was im Bike-Bereich wenig sinnvoll ist. Die Kritiker bemängeln insbesondere die hohen administrativen Anforderungen einer Regelung, die in ihrer aktuellen Form nie auf Elektroräder gemünzt war und entsprechend eine Bürde darstelle.
Insbesondere bei Leva-EU argumentierte man so und freut sich deswegen besonders über den ersten Entwurf einer neuen MR ohne Elektroräder. Der Handelsverband für leichte Elektrofahrzeuge hatte sich besonders für die Änderungen eingesetzt und sieht die aktuelle Entwicklung als Schritt in die richtige Richtung. Gleichzeitig hat der europäische Herstellerverband Conebi sich wenig begeistert von den absehbaren Veränderungen gezeigt. Wie lässt sich diese unterschiedliche Wahrnehmung erklären? Die Antwort hängt zusammen mit dem, was nach der Maschinenrichtlinie für E-Fahrräder gelten soll.

Wo landet das Pedelec?

Wenn das Elektrorad aus der Maschinenrichtlinie fällt, stellt sich die Frage, wie danach ein neuer regulatorischer Rahmen aussehen kann. Nach dem Stand der Dinge sind zwei Wege gangbar. Der naheliegende ist, dass das Pedelec unter die bestehende Produktsicherheitsrichtlinie fällt. Auch bei dieser Richtlinie geht es darum, dass in Verkehr gebrachte Produkte für Verbraucher sicher sind. Allerdings hat Conebi bereits zum Ausdruck gebracht, dass man eine solche Lösung nicht als ideal ansehen würde, da diese Richtlinie weniger spezifisch sei und daher noch weniger für leichte Elektromobilität geeignet wäre, als es die Maschinenrichtlinie ist. Die Abkehr von erfolgreich harmonisierten Standards erschwere den Marktzugang und könnte zu höheren Kosten führen. Auch befürchtet der Verband ein mögliches rechtliches Vakuum.
Der andere Weg wäre eine eigene Richtlinie nur für leichtelektrische Fahrzeuge (LEVs). Diesen Weg würde Leva-EU bevorzugen und sieht, dass die EU-Kommission eine solche Initiative tatsächlich erwägt. So will man ein eigenes Konzept für »Zero Tailpipe Emission Vehicles« als Option in Stellung bringen, die der gesamten elektrischen Mikromobilität einen maßgeschneiderten, zukunftssicheren Rahmen bieten soll. Er umfasse alle emissionsfreien Fahrzeuge bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h.
Doch auch bei diesem Vorschlag gibt es Vorbehalte. So fragt Schröder:

»Wo sind wir als Fahrradindustrie wirklich zu Hause? Wir müssen aufpassen, mit wem wir uns ins Bett legen.«

Denn wenn neben E-Bikes auch leichte E-Scooter und schwere E-Lastenräder als eng zusammengehörig gemeinsam reguliert werden, könnte man sich neue Probleme schaffen. So wird häufiger bezweifelt, dass E-Scooter so sicher sein können wie E-Fahrräder. Mehr Unfälle könnten automatisch mehr regulatorische Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und auch der Lastenbereich ist nicht ohne Tücken. »An dem Tag, an dem ein 700 Kilogramm schweres Lastenrad einem Dreijährigen in die Hacken fährt, kann sich der regulatorische Wind schnell drehen«, sieht Schröder ein weiteres Risiko am Horizont bei einer solchen Lösung. Hier steht ein längeres Ringen um eine gute Lösung bevor.

Dieser Weg wird ein langer sein

Die Experten Brust und Schröder sind sich darin einig, dass noch ein langer Weg zu gehen ist, bevor tatsächlich Änderungen in der Praxis zu sehen sind. »Die Maschinenrichtlinie wird uns noch lange begleiten«, sagt Brust. Beide gehen von einem Zeitraum von etwa vier bis fünf Jahren aus, bevor in der Praxis endgültig Veränderungen umzusetzen sind. So könnte es noch bis 2023 dauern, bis die überarbeitete Maschinenrichtlinie durch die Instanzen der EU gebracht ist. Daran schließt sich noch eine 30-monatige Übergangsfrist an.
Die Maschinenrichtlinie ist also nur indirekt mit der Frage verbunden, ob Pedelecs als Fahrrad oder als Kraftfahrzeug eingeordnet sind. In Paragraf 1 des Straßenverkehrsgesetzes ist geklärt, dass Elektrofahrräder keine Kraftfahrzeuge sind und daher auch nicht von Behörden zugelassen werden müssen und ansonsten die Vorschriften über Fahrräder anzuwenden sind. Erst wenn an dieser Stelle geschraubt würde, wäre der Status des E-Bikes als Fahrrad in Gefahr. Das Herausfallen aus der Maschinenrichtlinie würde daran nichts ändern. Könnte etwas geschehen, damit diese existenzielle Bedrohung für die Fahrradbranche noch einmal relevant wird? »Für uns besteht Gefahr, wenn weiter getunt wird«, sieht Ernst Brust das größte Risiko vor allem in der Praxis und weniger bei EU-Verordnungen.

3. Juni 2021 von Daniel Hrkac

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