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Cannondale nutzt den angeblichen Abwerbeversuch von Ingenieuren für Eigenwerbung.
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Verbaler und werblicher Schlagabtausch:

Specialized legt sich mit Cannondale an

Bei Cannondale ist man momentan auf Mitbewerber Specialized nicht allzu gut zu sprechen. Auslöser ist ein Brief von Specialized-Boss Mike Sinyard an seine Händler, in dem er seine Meinung zur Übernahme von Cannondale durch Dorel kundtat. Überraschend deutlich ruft Sinyard dabei den Handel zum Boykott des Mitbewerbers auf. Was mit dem Brief anfing, hat sich inzwischen zu einem offenen Schlagabtausch der beiden Unternehmen entwickelt.

Cannondale nutzt den angeblichen Abwerbeversuch von Ingenieuren für Eigenwerbung.Werbung in Velonews: Der Specialized-Engel hat seine Flügel abgelegt und geht mit einem Cannondale auf Tour.

Gemessen am üblichen Umgangston in der amerikanischen Bike-Branche war das schon starker Tobak, den Sinyard Anfang Februar per Brief an seine amerikanischen Specialized-Händler verbreitete. Unter anderem schrieb der Gründer und Mehrheitseigner des Bike-Anbieters: „Als ich die Nachricht über die Dorel/Pacific-Übernahme von Cannondale las und die diesbezügliche Versicherung der ,Fokussierung auf den Fachhandel’, fühlte ich mich verpflichtet, meine Sicht dieser Situation zum Ausdruck zu bringen.“ Und weiter: „(Die Übernahme) ist nicht nur eine schlechte Nachricht für den Fachhandel, sondern für alle Personen und Marken, die ihre Existenz der Stärke und Gesundheit dieses Absatzkanals verdanken.“ Sinyard schreibt in dem Brief, dass Pacific bisher erwiesenermaßen den Wert „einst großartiger Marken wie GT und Schwinn“ durch den Vertrieb an Mass-Merchant-Händler wie Wal Mart zu Grunde gerichtet habe. O-Ton Sinyard: „Ich glaube, dass Händler, die weiterhin Cannondale verkaufen und unterstützen, damit dieses Mass-Market-Konglomerat stärken und den Fachhandel somit untergraben.“

Zu behaupten, die amerikanischen Marktteilnehmer seien vom scharfen Ton von Sinyards Worten überrascht und verwundert, würde wohl an eine Untertreibung grenzen. Zwar ist bekannt, dass Specialized im Umgang mit missliebigen Wettbewerbern nicht zimperlich ist, ein derart offener Aufruf, einen Mitbewerber zu boykottieren, ist bisher aber wohl einmalig.

Zwar ist in der amerikanischen Branche unbestritten, dass die Marken Schwinn und GT unter der Vertriebsstrategie von Pacific Cycle (und dessen Flirt mit Wal Mart) gelitten haben. Allerdings war dies eine Strategie, die noch vor der Übernahme von Pacific durch Dorel eingeleitet wurde. Mit der Übernahme von Cannondale hatte Dorel durchblicken lassen, dass diese Strategie im Unternehmen als Fehler gewertet wird, der mit Cannondale sicher nicht wiederholt werde. Eine Aussage, die im amerikanischen Markt bisher auch nicht in Zweifel gezogen wurde. Im Gegenteil: Die allgemeine Resonanz auf die Cannondale-Übernahme war in den USA bislang sehr positiv.

Auch die Reaktion von Cannondale-CEO Jeff Frehner, die natürlich nicht lange auf sich warten ließ, macht die Überraschung über den unerwarteten Angriff deutlich. Frehner schrieb in einem offenen Brief: „Wow, wie reagiert man auf einen solchen Brief ohne verteidigend zu klingen?“ Specialized habe sich entschieden „Full Force“ auf Cannondale loszugehen, schreibt Frehner. „Full Force“ war der Name einer Marke, mit der Specialized in den Neunziger Jahren Mass-Merchants bedienen wollte, und dafür vom Fachhandel heftig abgestraft wurde. Anders ausgedrückt: Wer im Glashaus sitzt…

Frehner bekräftigte in seinem Brief noch mal die klare Ausrichtung von Cannondale auf den Fachhandel und konnte sich dabei natürlich einige Seitenhiebe auf Specialized nicht verkneifen: „Specialized scheint sich über die Stärke unserer Ressourcen und über unseren Willen, im Fachhandel erfolgreich zu sein, Sorgen zu machen.“ Und so gesehen habe Specialized auch allen Grund sich Sorgen zu machen. Fachhändler hingegen sollten sich freuen, dass sie die Wahl hätten, einen Anbieter zu unterstützen, der partnerschaftlich mit mehreren Marken wachsen wolle, und nicht mit hemdsärmeliger Vertriebspolitik (Frehner benutzte hier den Begriff strong-arm tactics). Frehner sei jedenfalls zuversichtlich, dass der Fachhandel die „wilden Spekulationen und Verleumdungen“ des Wettbewerbers durchschaue.

Zweite Runde in der Werbeabteilung

Damit hätten beide Unternehmen die Sache auch auf sich beruhen lassen können. Taten sie aber nicht. Ungefähr zeitgleich mit dem Rundbrief Sinyards hatte Specialized angeblich versucht, gezielt Ingenieure bei Cannondale abzuwerben. Cannondale nutzte dies daraufhin zu einem Seitenhieb auf der eigenen Webseite. Unter der Rubrik „Test Ride Reasons“ machte Cannondale den Abwerbe-Versuch publik und schrieb: „Wer hat in der Branche die besten Ingenieure? Specialized weiss es.“

In der jüngsten Ausgabe der amerikanischen Rennrad-Zeitschrift VeloNews legte Cannondales Werbe-Abteilung noch nach. Auf einer doppelseitigen Anzeige ist ein Rennradfahrer zu sehen, der gerade seine Engelsflügel abgelegt hat, um mit einem Cannondale-Rad auf Tour zu gehen (siehe oben). Die Flügel waren lange Zeit Bestandteil von Specialized-Anzeigen.

Einen lesenswerten Artikel zum Disput zwischen Cannondale und Specialized hat übrigens auch der US-Fachjournalist Gary Boulanger für bikeradar.com geschrieben. In dem Bericht sind auch die Briefe von Sinyard und Frehner im Original veröffentlicht. Zudem hat Boulanger einen Brief ausgegraben, mit dem Sinyard 1995 versucht hatte, seinen Händlern die Einführung der Marke Full Force zu erklären:

http://www.bikeradar.com/mtb/news/article/cannondale-purchase ...

9. April 2008 von Markus Fritsch

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