
Neuheiten und Entwicklungen
Spezi 25: Big is beautiful!
(…) Dreirad und vor allem das Vierrad waren omnipräsent. Das bedeutet auch, dass der Trend zum größeren Fahrrad geht: Große Lastenräder und Pedelcars für mehrere Personen, also Pedelecs mit Teil- oder ganzer Karosserie, werden immer mehr auf der Spezi. Und immer mehr tritt der tatsächliche Praxis- und Alltags-Nutzen in den Vordergrund. Belächelt werden diese Konzepte heute nicht mehr. Eher gibt es oft wohlwollendes Nicken ob der Ideen, die diese Velos noch praktischer machen.
Ein Bus für alle Fälle
Er sieht aus wie ein auf drei Meter Länge geschrumpfter, etwas eckig geratener VW-Bulli der 70er. Anders als der ist der Raysride aber vor allem aus Alu-Blech. Sympathisch an ihm ist neben seiner Optik, dass er mit einem kleinen Lenkrad gesteuert wird. Die vermeintlichen Schaltwippen darunter sind Bremsgriffe, die auf jeweils auf ein Räderpaar wirken. Hinter dem mittigen Fahrer sind in dieser Version zwei bequeme Schalensitze, dahinter ist noch Platz für einige Getränkekisten. Neben dieser „People-Mover“-Variante gibt es noch zwei Frachttransport-Varianten auf derselben Plattform.
Die zwei Hinterradmotoren des Pedelecs bringen je 113 Newtonmeter Schub, da kann auch eine die Zuladung von 300 Kilogramm nicht schocken. Mit Solarzellen auf dem Dach werden auf Wunsch die Batterien unterstützt. Eine Kette fehlt: Hier wird per Generator angetrieben (Parallelhybrid), und zwar ziemlich flott und mit einem recht runden Pedaliereindruck.
„Alles mit Blech“ ist tatsächlich die Devise von Matthias Stickel, der im Leben jenseits dieses Prototyps ein mittelständisches Unternehmen in der Automotive-Branche führt. Mit dem voll gefederten Raysride, der sich unerwartet gelassen und flott durch die engen Testparcours der Messe steuern ließ, will er eine nachhaltige Alternative zum Kurzstreckenverkehr, zum Transport innerhalb der City, aber auch für den Tourismus bieten. 230-Volt-Steckdose am Fahrzeug inklusive. Auch eine Variante für den Rollstuhl-Transport ist geplant. Voll eingeschlagen hat sein Prototyp bei einem Unternehmen, das bereits eine ganze Reihe an Exemplaren für den internen Werksverkehr bestellen wollte. Ende 2025 könnte es die ersten 10 Serienfahrzeuge geben.
www.raysride.de
.
Auto oder Fahrrad: Die Mischung macht's
Eines der Räder, die sehr nah am Auto sind, ist auch das französische Karbike – nicht nur optisch. Das Gefühl, in und nicht auf einem Fahrzeug zu sitzen, ist hier sehr deutlich. Praktisch ist die Aufteilung des Innenraums: Hinten können zwei Kinder oder ein Erwachsener sitzen. Wird der Sitzplatz nicht benötigt, kann man die Rückenlehne nach abklappen, sodass eine plane Fläche für größeres Gepäck entsteht. Der mittelgroße Einkauf passt auch bei genutzter Hinterbank in den Kofferraum hinter der Sitzbank. Angetrieben wird das Karbike mit einem Valeo-Motor, der mit integrierter automatischer Siebenfach-Schaltung die Gänge wechselt – was sehr gut funktioniert. Die 130 Newtonmeter Drehmoment reichen auch noch, wenn man einen Erwachsenen transportiert. Alternativ zur Family-Line gibt es auch zwei Lastenrad-Varianten mit Transportbox beziehungsweise Frachtaufbau. Ab 10.900 Euro netto soll das Karbike kosten.
Türen gibt’s als Extra.
www.karbike.fr
Ein Haus am Haken
„Nach Lastenrad jetzt auch tausende Wohnanhänger?“ hört man den Autofahrer jetzt schon raunen, der auf der kleinen Straße im Feriengebiet hinter dem Gespann bleiben muss. Nein, einen so starken Trend wird der Camper fürs Rad nicht auslösen, aber er ist im Kommen. Auf der Spezi waren zwei Modelle zu sehen, die zeigten, dass mit E-Bike auch der Traum vom Bett auf Rädern in Erfüllung gehen kann. Der Alpencamper von Roland Dillinger glänzt mit hochwertiger Verarbeitung und drei Zentimetern Dämmung, was ihn wintertauglich machen soll, einer Innenlänge von gut zwei Metern und einem Gewicht von gerade mal 40 Kilogramm. Individuell gibt’s Jalousien und / oder Moskitonetze an den Fenstern und was der zukünftige Besitzer sonst noch haben will. Klimaanlage oder eine Dusche als flexibler Anbau? Alles ist möglich, erklärt Roland Dillinger, Geschäftsführer von Alpencamper. Stromanschluss ist dagegen auch hier selbstverständlich. Einstieg ist bei 5.900 Euro.
Der Martha von Maxmess Design aus dem Harz ist zehn Kilogramm schwerer und bietet dank Aufbau mit Alu-Profilen die Möglichkeit, auch außen noch Gepäck zu befestigen. Er rollt auf 24-Zöllern und wirkt mit seinen Bullaugen-Fenstern etwas exotischer als der Alpencamper und ist mit 5.000 Euro auch etwas günstiger
www.Alpencamper.ch
,
www.fahrrad-wohn-wagen.de
Reha-Lifestyle auf drei Rädern
Klein statt Groß gibt es aber hier auch: Huka, einer der großen Reha-Radhersteller, hat sein Erfolgsdreirad geschrumpft. Das neue Cortes XS ist mehr als die kleine Version eines Dreirads, erklärt Uwe Franke, Vertriebler bei Huka. Ab 1,35 und bis 1,85 Meter Körpergröße kann das XS gefahren werden. Es schließt damit eine Lücke. Der steife Rahmen wirkt harmonisch, durch die geringere Länge spart man sich den „Knick“ im Steuerdom und erhält eine sehr harmonische Optik. Es unterstützt ein Bafang-Mittelmotor. Geschaltet wird mit der Achtfach-Nexus-Nabe, auf die Hinterachsen überträgt ein Differential die Kraft. „Das ist bei uns Standard“, sagt Franke. Auch, dass der Antrieb unter einem Sichtschutz versteckt sind, ist obligatorisch. „Beim Auto liegt ja auch nicht alles offen!“ Die Hinterachse ist aufwendig gefedert, vorn reicht wegen der Dreirad-Geometrie die breite Bereifung als Federung. Per Schiene ist der bequeme Sessel sehr einfach mit einer Hand einzustellen. Standard sind auch die drei groß dimensionierten Scheibenbremsen. Lediglich der hoch am Steuerdom angebrachte Akku stört das Gesamtbild, doch er ist Absicht: Für Menschen, die sich mit dem Bücken schwertun, ist er so gut zu handhaben. Allerdings verlegt er den Schwerpunkt weiter nach oben. Der fehlende Gepäckträger kann durch ein Körbchen oder einer Halterung für die Packtasche ausgeglichen werden.
Bei all der Funktionalität macht das Rad nicht den Eindruck, als käme es aus dem Sanitätshaus, sondern aus einem hippen Fahrradladen – wozu sicher auch die modernen Farben beitragen.
www.hukabikes.de
Für Trail und Alltag
Neu und mutig: die Räder von Thomas Mayr und Simon Walch. Mit ausgefallenen Konstruktionsideen und hochwertigen Materialien führen die zwei Maschinenbauer von Reset Menschen mit Querschnittslähmungen zurück auf den Trail: Der Prototyp des Scout ist ein Handbike, das sowohl für den Einsatz auf Wald- und Feldweg als auch für den Alltag geeignet sein soll. Feine horizontale Rohre mit noch feineren CNC-gefrästen Verbindungsteilen bilden den Rahmen, eine aufwendige Hinterachse mit Einzelradaufhängung sorgt für beste Bodenhaftung. Der Motor sitzt zwischen den Handkurbeln, eine Batterie (730 Wattstunden) an der Rückenlehne. Alles ist individualisierbar. Wichtig: Ein Rollstuhl kann an der Rückenlehne befestigt und dann wie ein Anhänger mitgeführt werden. Ein Preis können die Macher noch nicht abgeben, der Scout dürfte aber im oberen zweistelligen Euro-Bereich kosten.
www.re-set.at
Details, die es in sich haben
Auch Zubehörhersteller können Spezi: Erstmals vertreten war Fahrer Berlin mit neuen Teilen. Die Kooperation von Fahrer und Brompton wird immer mehr ausgebaut. Mittlerweile stellt man auch zwei Frontträger für den eigenen Adapter des Kult-Faltrads her, die sich sehr vielseitig verwenden lassen. Neu dabei ist der Tour-Rack. Das Publikum fragt aber auch nach verschiedenen Spanngurten. Da kommt es aufs Detail an. So ist der Strap bestimmter Gurte bei Fahrer Berlin beispielsweise UV-beständig und wird eigens für das Unternehmen in Sachsen hergestellt. Der bis zu drei Meter lange Lastenrad-Gurt Cargo-Strap hat eine spezielle Kunststoff-Schnalle. Kein Rosten, aber vor allem auch keine Kratzer am Rad oder der Fracht. Ein eingearbeiteter Elastik-Teil sorgt dafür, dass sich der Gurt selbst nachspannt, sollte sich der Strap etwas lockern. Es sind die Details, die Dinge ändern. Und wer das weiß, gibt auch ein paar Euro mehr dafür aus.
www.fahrer-berlin.de
Pedale vom Spezialisten
Auch BySchulz, Hersteller von Komponenten für das Komfort-, Kompakt- und E-Bike-Segment, ist erstmals auf der Spezi und nutzt die Messe zur Neuheiten-Präsentation. Das M2 View ist ein robustes Plattformpedal, das mittig den Blick auf eine hochwertige konische verlaufende Achse aus dem MTB-Bereich freigibt. Statt der üblichen Pins machen CNC-gefräste und nur zwei bis drei Millimeter hohe Sechsecke das Pedal rutschfest. Sie sollen fast dieselbe Rutschsicherheit bieten wie die Pins, aber nicht zu Verletzungen führen. wie das Bei Pins der Fall ist, bekommt man ein Pedal an Wade oder Schienbein. Im sehr flachen Pedal sind schmale Reflektoren eingearbeitet. Das Pedal ist in der Trendfarbe Gold, in Grau und in Schwarz erhältlich. „Unsere Zielgruppe ist der sportliche E-Biker oder E-Graveler“, so Markus Schulz, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens.
Noch mehr als vor der Corona-Zeit ist BySchulz im Aftermarket angesiedelt. „Da ist eine Messe wie diese wichtig. Wir leisten uns ja lange Entwicklungszeiten, um ein hochwertiges Produkt anbieten zu können und müssen dann auch beim Endkunden als eine hochwertige Marke erkennbar sein.“ Das M2 View kostet 99,95 Euro, ab der Eurobike 2025 ist es im Handel.
https://byschulz.com
Mobilität feiern!
Das große Thema der Spezi 25 war neue und alternative Mobilität in allen ihren Facetten. Der Reha-Bereich ist angewachsen, dabei verlieren sich die Grenzen zwischen den Segmenten immer mehr – was sehr erfreulich ist und der Fahrrad-Mobilität allgemein nur nutzen kann. Und: Die Liebe zum Detail ist zurück, egal, ob es um Komponenten oder die Entwicklung von ganzen Konzepten geht. Ein Fahrrad-Fest für die Familie war die Spezi natürlich auch wieder. Das wird sie sicher bleiben, auch wenn es ab 2026 in Freiburg gefeiert wird.
Verknüpfte Firmen abonnieren
für unsere Abonnenten sichtbar.