9 Minuten Lesedauer
i

Markt - Österreich

Talsohle durchquert

Die Marktentwicklung in Österreich war in den letzten Jahren wie in anderen Ländern auch eine Berg-und-Tal-Fahrt. Exemplarisch dafür ist der Auf- und Abstieg der Pierer Mobility Gruppe, deren Ausflug ins Fahrradbusiness vor Kurzem ein jähes Ende fand. Die österreichische Industrie-Ikone geriet nach Rekordzahlen in den Jahren zuvor mächtig ins Wanken und sorgte für viele Schlagzeilen. Doch der Markt ist auf allen Ebenen anspruchsvoll.

Pierer Mobility ist bei seinem Fahrradabenteuer auch an den herausfordernden Marktbedingungen gescheitert, denen sich kaum ein Marktteilnehmer in den vergangenen zwei bis drei Jahren hat entziehen können. Sichtbar wird dies aus den jüngst veröffentlichten Marktzahlen für Österreich. Nach den Ausreißern nach oben in den Jahren zuvor, wo zwischen 2020 und 2022 jährlich rund 500.000 Räder an den österreichischen Sport- und Fahrradfachhandel verkauft wurden, rutschte im Jahr 2024 laut Erhebungen des VSSÖ dieser Wert wieder deutlich unter die 400.000er-Grenze und damit weit hinter die Vor-Corona-Verkaufszahlen zurück. Verändert hat sich jedoch die Bedeutung von E-Bikes im österreichischen Markt. Der Marktanteil hat sich stückzahlenmäßig auf 57 Prozent erhöht, was der höchste Wert europaweit ist. Betrachtet man nur den Markt von Erwachsenenrädern liegt der Anteil sogar bei 62 Prozent. Insgesamt wurden 226.076 E-Bikes von Herstellern an den Handel verkauft und damit sogar etwas mehr als im Jahr 2023. Dementsprechend verblieben die erzielten Durchschnittspreise auf hohem Niveau, wenn auch mit leicht rückläufiger Tendenz.
Zwei andere Fahrradgattungen haben in Österreich in den letzten beiden Jahren ebenfalls eine erstaunliche Entwicklung genommen, was laut Branchenverband VSSÖ auch direkt mit politischen Fördermaßnahmen zusammenhängt. Falträder wurden im Rahmen der E-Mobilitäts­offensive im Jahr 2023 erstmals mit bis zu 900 EUR gefördert. Die Folge daraus: Mehr als eine Verdopplung der Verkaufszahlen in Österreich – von 3917 Stück im Jahr 2022 auf 8410 Stück im Jahr 2024. Noch ein Beispiel: Bei den ebenfalls geförderten E-Lastenrädern stiegen die Verkaufszahlen von 4223 im Jahr 2022 auf 7977 im Jahr 2024. Allein im Jahr 2024 wurden durch die gemeinsame Förderaktion des Klimaschutzministeriums und des österreichischen Sport- und Fahrradfachhandels 13.300 Fahrräder und Elektrofahrräder bezuschusst. Die Fördermaßnahmen sind im Jahr 2024 ausgelaufen. Angesichts des Erfolgs setzt sich die ARGE Fahrrad für eine Verlängerung ein. An Bedeutung gewonnen haben zudem Gravelbikes und Rennräder sowohl mit als auch ohne Motor.

Ein- und Ausblick beim Fachhandel

Die Zahlen der ARGE Fahrrad geben traditionell einen Einblick, wie viele Fahrräder und E-Bikes von der Fahrradindustrie in Richtung Fahrrad- und Sportfachhandel verkauft wurden. Über den Geschäftserfolg der Händler in Richtung Verbraucher sagen sie jedoch eher wenig aus. Aussagekräftiger sind hier die vom VSSÖ veröffentlichten Umsatzzahlen mit Fahrradkäufen im österreichischen Fachhandel. Zwei Aspekte werden hier deutlich: Der Verkaufspeak im Jahr 2022 mit 1,392 Mrd. Euro Umsatz nach einem sehr starken Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren und das deutliche Abflauen danach in den Jahren 2023 (1,188 Mrd. EUR) bzw. 2024 (1,055 Mrd. EUR).
»Den Rückgang haben wir aufgrund der wirtschaftlich herausfordernden Rahmenbedingungen, die natürlich einen negativen Einfluss auf die Kauflust der Konsumentinnen und Konsumenten haben, prognostiziert. Aber er ist deutlich geringer als erwartet. Gerade bei den E-Bikes haben wir zum Teil stark wachsende Segmente. Das stimmt uns sehr zuversichtlich«, sagt dazu Hans-Jürgen Schoder, der auch Geschäftsführer von Paul Lange Austria ist. Und weiter: »Umso mehr braucht es jetzt alle Anstrengungen für politische Rahmenbedingungen, die die heimische Kaufkraft wieder stärken und den Wirtschaftsmotor in Gang bringen.« Fakt ist aber auch, dass der Umsatzrückgang im Vergleich zu den Boomjahren dennoch erheblich ist. Dieser muss von den einzelnen Fachhandelsunternehmen verdaut werden. Es wurde nicht nur weniger umgesetzt, aufgrund des Preiskampfes sanken zusätzlich die Margen im Handel.


Nach Rekordzahlen im Jahr 2022 ging es in den beiden Folgejahren stark bergab.

In Bezug auf die Lagerbestände im Markt geht VSSÖ-Frontmann Michael Nendwich jedoch von einer Entspannung aus. Gleichzeitig gibt der Verbandsmanager zu bedenken, dass weitere Kostenfaktoren aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen nach wie vor unverhältnismäßig hoch seien, beispielsweise bei Energie und Personal. Von Seiten des Fachhandels wird weiterhin über einen hohen Preisdruck aufgrund der Überbestände geklagt. Hinzu kämen auch diverse Online-Händler, die mit sehr niedrigen Preisen auf dem österreichischen Markt präsent sind und zusätzlichen Wettbewerbsdruck schaffen.

Kaltstart vielerorts

Der Start in die Saison 2025 ist mehr oder weniger gelungen. Das Feedback aus dem Markt ist sehr unterschiedlich. »Verhalten« heißt es häufig, weil auch das eher kühle, durchwachsene Wetter die Abverkäufe zunächst nicht befeuerte. Abhängig war dies jedoch auch von der Region. »Im Westen dauerte der Winter lange an, im Februar bis in den März hinein war es tendenziell zu kalt, dies hatte Auswirkungen auf den Verkauf«, berichtet Hans-Jürgen Schoder. Ein gutes Ostergeschäft habe jedoch insgesamt für einen erfreulichen Saisonstart gesorgt. Zudem habe es beispielsweise in den Werkstätten kaum regionale Unterschiede in der Auslastung gegeben, wie VSSÖ-Mann Nendwich ergänzt. Diese seien gut ausgebucht.
Apropos Werkstatt: Hier hat die österreichische Regierung im vergangenen Jahr mit dem Reparaturbonus eine interessante Fördermaßnahme aufgelegt, in die auch E-Bike-Reparaturen eingeschlossen waren. »Der Reparaturbonus ermöglicht es auch einkommensschwächeren Haushalten, ihre Fahrräder verkehrssicher zu halten. Das schützt nicht nur die Umwelt, sondern insbesondere Kinder und Erwachsene im Straßenverkehr«, sagt dazu Dr. Michael Schineis, Präsidiumssprecher des VSSÖ. Doch der politische Wind hat sich in der Alpenrepublik gedreht. Von der neuen Regierung werden Fördermaßnahmen auf den Prüfstand gestellt. Und das hat bereits Folgen für die Fahrradwerkstätten: Der Reparaturbonus wurde Ende Mai 2025 kurzfristig und für die Branche überraschend ausgesetzt. Von enttäuschten Fahrradhändlern berichtet diesbezüglich der VSSÖ, denn die Nachfrage sei sehr hoch gewesen.

Trennt sich jetzt Spreu vom Weizen?

Der österreichische Fahrradmarkt ist auf Erholungskurs, darin sind sich Branchenbeobachter einig. Wann diese Erholung dann tatsächlich spürbar am Markt ankommt, ist allerdings schwer einzuschätzen. Denn noch ist vielerorts genügend Lager- und Preisdruck vorhanden. Dies wird für die einzelnen Unternehmen mal mehr, mal weniger zum Problem werden. Händler in einer Stadt oder Region performen sehr unterschiedlich, heißt es aus Reihen von Außendienstmitarbeitern. Dies gelte in einer Intensität, die bislang so nicht zu beobachten gewesen sei. Man geht davon aus, dass sich diesmal tatsächlich die Spreu vom Weizen trennt. Entscheidend seien jetzt die klare Positionierung, die richtigen Marken und die eigene Expertise, wie Schoder sagt. Den Fahrradhandel und den auf Bike spezialisierte Fachhandel sieht er dabei gut aufgestellt, vor allen Dingen dank der Fachkräfte und des Ausbildungsberufs Sportgerätefachkraft. Das größte Wachstumspotenzial sieht er in Österreich im urbanen Bereich, punktuell auch in touristischen Regionen. Die mittelfristigen Aussichten seien damit in Österreich eher positiv. An dieser Einschätzung sollten auch die jüngsten politischen Veränderungen nichts ändern, auch wenn der österreichische Fahrradmarkt sicherlich etwas Rückenwind von dieser Seite gut gebrauchen könnte.

Booster Dienstradleasing

Ein Hoffnungsträger in Österreich ist das Geschäft mit Diensträdern. Die Voraussetzungen für ein Dienstrad-Leasing wurden deutlich später geschaffen als in Deutschland. Der Markt befindet sich in der Folge in einer weitaus früheren Phase und entwickelt sich entsprechend noch dynamisch. »Das Interesse an diesem Mobilitätsangebot steigt kontinuierlich sowohl bei Unternehmen als auch bei deren Mitarbeitenden. Während vor zwei Jahren vielen das Konzept noch unbekannt war, hat sich das inzwischen deutlich geändert. Die Bekanntheit und Akzeptanz von Dienstrad-Leasing hat stark zugenommen, was sich unmittelbar in der steigenden Anzahl geleaster Fahrräder widerspiegelt«, erklärt Edwin De Jong, Geschäftsführer von Jobrad Österreich.
Damit einher geht auch eine qualitative Weiterentwicklung des Marktes. Dazu stellt De Jong fest: »Zwar wächst die Zahl der Anbieter moderat, doch vor allem bei der Qualität der angebotenen Dienstleistungen, etwa hinsichtlich digitaler Plattformen, Benutzerfreundlichkeit oder Produktangebote, ist eine spürbare Professionalisierung zu erkennen.« In absoluten Zahlen lasse sich der Dienstradmarkt in Österreich aktuell nicht beziffern, sagt ARGE-Sprecher Hans-Jürgen Schoder. Eine Umfrage des VSSÖ habe jedoch ergeben, dass der Anteil der Personen, die in Österreich einen laufenden Dienstradvertrag haben, sich versechsfacht habe.
Das Potenzial für Dienstradleasing ist damit immer noch groß. Jobrad-Mann De Jong sagt: »Viele Unternehmen haben das Modell bislang noch nicht eingeführt, zeigen jedoch stark wachsendes Interesse. Daraus ergibt sich ein beträchtlicher Markt, der nach wie vor viel Raum für weiteres Wachstum bietet.« Der Dienstradexperte sieht aber auch auf politischer Seite noch Raum für Verbesserungen. »Es gibt noch strukturelle Rahmenbedingungen, welche die Umsetzung in bestimmten Bereichen erschweren, etwa kollektivvertragliche Mindestgehaltsgrenzen, die bei einigen Beschäftigtengruppen eine Teilnahme aktuell einschränken, oder fehlende gesetzliche Grundlagen im öffentlichen Dienst auf Bundes- und Landesebene, die bisher einen flächendeckenden Zugang verhindern.« Dennoch sieht man mittel- und langfristig ein großes Entwicklungspotenzial. Das Leasing könnte damit in Österreich ein wesentlicher Baustein sein, um die Nach-Corona-Delle wieder auszubügeln. //

22. Juli 2025 von Jürgen Wetzstein

Verknüpfte Firmen abonnieren

VSSÖ / ARGE Fahrrad in Österreich
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
JobRad GmbH
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login