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Kolumne - Gegenwind

Themaverfehlung

Die Saison ist in vollem Gange und unsere männlichen Mitmenschen liefern uns dankenswerterweise wieder Steilvorlagen für diese Kolumne. So begab es sich, dass die eine Hälfte von uns beim Event eines Fahrradmagazins zugegen war. Die Gäste kamen ausschließlich aus der Fahrradbranche und...

... man kannte sich weitestgehend untereinander. Unvorbereitet am Stehtisch, dann die misslungene Gesprächsaufnahme eines Industrie-Urgesteins: »Sag mal, wie machst du es denn eigentlich, dass du immer so gut aussiehst?« Na, was ist der erste Impuls, wenn du das liest? Vielleicht: »Jetzt beschweren sie sich schon, wenn sie Komplimente bekommen?«
Vor allem vor dem Hintergrund, dass besagter Dinosaurier in der Vergangenheit nicht selten mit, nennen wir es mal diplomatisch-liebevoll, »Fehlverhalten« gegenüber Frauen geglänzt hat, hier die Erklärung, was daran nicht okay ist: Während alle anderen angeregt über Marktentwicklungen und regulatorische Herausforderungen der Branche plaudern, wird dir vor Publikum elegant der Gesprächsteppich unter den Füßen weggezogen – zack, bist du nicht mehr die erfahrene Geschäftsfrau, sondern die, die halt gut aussieht. Das mag im Hochglanzmagazin funktionieren, im Business-Kontext ist es schlicht entwertend.
Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Hätte er denselben Spruch einem männlichen Kollegen gedrückt, der mit am Tisch stand? Stattdessen wäre es ein Schulterklopfen à la »Starkes Quartal hingelegt, Glückwunsch!« geworden. Bei Frauen hingegen reicht offenbar immer noch das Äußere als einziger Anknüpfungspunkt. Herzlichen Glückwunsch zur persönlichen Demontage direkt am Stehtisch. Hinter dem vermeintlich harmlosen Kompliment schwingt ein unausgesprochenes »Du bist vor allem eins: dekorativ« mit. Subtil, kaum greifbar und doch glasklar spürbar.
Und wir wissen alle: Solche Sätze fallen selten im vertraulichen Vier-Augen-Gespräch, sondern vorzugsweise so, dass es auch die halbe Branche mithört. Voilà: kostenlose Bühne für eine unangenehme Situation, die man nicht bestellt hat. Für Frauen gilt im Business-Setting oft genug: Sie sollen bitteschön professionell und makellos auftreten, sich aber um Himmels willen nicht beschweren, wenn sie auf genau dieses Äußere reduziert werden.
Was als charmantes Geplänkel daherkommt, ist in Wahrheit ein Lehrbuchbeispiel für Alltagssexismus. Und bevor jetzt jemand denkt: »Das war doch sicher nicht so gemeint!« – genau das ist der Punkt. Es wird gesagt, ohne darüber nachzudenken, und gerade deshalb ist es so wirksam. »Aber das war doch nett gemeint!« – ja, eben darum geht’s: Auch mit Schleife in Geschenkpapier verpackt bleibt es Sexismus. Und noch ein kleiner Gratistipp: Die 50er-Jahre sind vorbei. Frauen sind offiziell Menschen. Man kann mit ihnen eine fachlich-sachliche Konversation beginnen, wie mit allen anderen Mitmenschen auch.

Karla Sommer von Velokin und Dani Odesser von Dani O. Communication bringen gemeinsam mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in der Branche mit.

Gestern um 08:00 von Karla Sommer und Dani Odesser
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