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Kolumne - Gegenwind

Mädchenfehler Marketing

Manche Ratschläge wirken auf den ersten Blick wie pragmatische Karrierehilfe und entpuppen sich auf den zweiten als Treppenwitz. Kürzlich flatterte uns so ein Feedback ins Postfach. Der Tenor: Frauen müssten sich nicht wundern, dass sie in den Führungsetagen unterrepräsentiert seien. Schließlich gingen sie ja alle ins Marketing. Wer es nach oben schaffen wolle, solle besser gleich im Vertrieb anfangen. Oder in die Technik gehen. Da sei der Aufstieg einfacher. Marketing sei zwar sinnvoll, aber...

... schwer zu vermitteln. Also bitte, liebe Frauen, macht es euch nicht so schwer. Nehmt den direkten Weg.
Abgesehen davon, dass niemand auf die Idee käme, Männern zu sagen: »Mach’s dir nicht so schwer, geh bloß nicht in die Bunte-Bildchen-Abteilung«, ist das nichts anderes als ein verkleideter Vorwurf. Und dazu ein Lehrstück in Sachen Umkehr von Verantwortung. Denn was hier als wohlmeinende Analyse daherkommt, folgt einem uralten Muster. Wenn Frauen nicht oben ankommen, liegt es nicht an strukturellen Hürden, sondern an ihren persönlichen Entscheidungen. Falsche Fachrichtungen. Falsche Wege. Falsche Abteilungen. Selber schuld.

Dass Vertrieb und Technik als »bessere« Sprungbretter gelten, hat weniger mit Eignung zu tun als mit Tradition. Und diese Tradition ist männlich geprägt, mit stabilen Netzwerken, alten Seilschaften und dem unausgesprochenen Prinzip der kulturellen Passung. Wer dort aufsteigen will, muss nicht nur gut sein, sondern vor allem reinpassen. Oder besser gesagt, durchgewunken werden.
Das mit dem »einfachen Weg« ist also eine Mär. Eine, die sich nur für diejenigen einfach anfühlt, die ohnehin keine Tür eintreten müssen, weil sie immer offen stand.
Und das Marketing? Wird gerne als bunt und verspielt abgetan. Nicht, weil dort zu viele Frauen arbeiten, sondern weil seine strategische Relevanz systematisch unterschätzt wird. Wer verstehen will, warum Markenführung in Deutschland oft gering geschätzt wird, muss nicht ins Gender-Regal greifen, sondern in die Vorstandsetage. In angelsächsischen Märkten ist Marketing ein selbstverständlicher Karrierekatalysator. Hierzulande muss es sich seine Relevanz noch immer gegen den Reflex behaupten, es sei lediglich Deko für echte Arbeit.

Wenn dann noch jemand vorschlägt, Frauen sollten sich doch bitte nicht so anstellen und einfach den bewährten Weg der Männer nehmen, wird es entlarvend. Denn der Ratschlag verkennt, dass dieser Weg für viele eben nicht geebnet wurde. Dass er weder neutral noch objektiv ist. Dass er seit Jahrzehnten so gebaut wurde, dass Frauen ihn gar nicht erst betreten konnten.
Sexistisch ist diese Denkweise nicht, weil sie laut oder beleidigend wäre. Sondern weil sie Strukturen verschleiert, die diskriminieren. Sie benennt nicht das System, sondern die Betroffenen. Sie erklärt das System nicht für veränderbar, sondern die Frauen für fehlgeleitet. Sie macht aus einer systemischen Benachteiligung eine vermeintlich persönliche Fehlentscheidung.
Und weil das alles noch nicht genügt, wird der Vertrieb zur goldenen Lösung erklärt. Klar, dort wird das Geld verdient. Das wird besser bezahlt, heißt es. Und dass das mehr wert sei, als Ausgaben zu verantworten, sei einfach ökonomischer Menschenverstand. Wie bequem, dass sich in diesem Denkmodell nicht nur Karrierepfade erklären lassen, sondern auch gleich noch Lohnlücken und die Zusammensetzung ganzer Vorstandsetagen.
Am Ende bleibt ein Rat, der vorgibt, hilfreich zu sein, in Wahrheit aber nur die alte Ordnung schützt. Ein Rat, der so klingt, als wolle er Türen öffnen, in Wirklichkeit aber nur den alten Plan verteidigt, wer wo stehen darf.
Der einfache Weg? Den gibt es. Aber nur für die, für die er gemacht wurde.

Karla Sommer von Velokin und Dani Odesser von Dani O. Communication bringen gemeinsam mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in der Branche mit.

3. November 2025 von Karla Sommer und Dani Odesser
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