
Porträt - Rebike
Viel mehr als ein Gebrauchtradhändler
Als Sven Erger und Thomas Bernik im Jahr 2018 ihr Unternehmen Rebike1 gründeten, stand in ihrem Business-Plan das Ziel, eine Plattform für gebrauche Fahrräder aufzubauen. Tatsächlich führte das Unternehmen zunächst die »1« im Namen, was nur daran lag, dass die Domain für Rebike zu dieser Zeit bereits vergeben war. »Am Anfang hatten wir noch nicht das Geld dafür, die Domain haben wir uns später gekauft. Wir haben uns aber von Anfang an die Markenrechte für Rebike gesichert«, erklärt Erger.
Auch sonst zeigten die beiden vom Start weg Initiative und Entschlossenheit. Im Januar 2018 stellte Bernik seinem künftigen Geschäftspartner seine Idee vor, im April gründeten die beiden ihre GmbH und im Juni des gleichen Jahren hatte Erger bundesweit die ersten 30 Räder aufgekauft, die er dann im eigenen Keller für den Verkauf aufbereitete. Ihre jahrzehntelange Business-Erfahrung half ihnen, Anfängerfehler zu vermeiden. Sie bauten ein »MVP«, ein »minimal viable Product«, also die Grundversion einer Plattform, um zu testen, ob sich gebrauchte Räder online verkaufen lassen. Innerhalb von fünf Stunden wurde auf Rebike1.de dann schon das erste Rad verkauft. »Danach haben wir gesagt, okay, wir lassen uns jetzt von der Agentur die Plattform bauen«, erinnert sich Erger. »So ging es dann weiter. Es war relativ schnell klar, dass ein Markt da ist. Die Menschen kaufen diese Räder. Wir haben von Anfang an zwei Jahre Garantie auf Akku und Motor gegeben.«
Sven Erger, Mitgründer von Rebike, kann bereits auf eine bewegte und erfolgreiche Unternehmenshistorie zurückblicken, obwohl das Unternehmen noch sehr jung ist.
Von Leasing war damals noch keine Rede. Eher war das Ziel, Ebay-Kleinanzeigen zu professionalisieren. All die Schwächen dieser Plattform sollten eliminiert werden. Schlechte Bilder, mangelhafte Informationen, fehlende Transparenz, keine Sicherheit und eine unbekannte Fahrradhistorie machen den Privatkauf auch heute ein bisschen zur Lotterie. »Der Kunde soll genau wissen, was er bei uns kauft«, erklärt Erger dagegen den eigenen Ansatz.
Um den technischen Service leisten zu können, reichte es nicht, dass Erger sechs Jahre während seines Studiums in einem Radladen als Mechaniker gearbeitet hatte. »Am Anfang war das Volumen noch nicht groß, da haben wir es erst mal selbst gemacht. Ende 2018, als wir dann skaliert haben, haben wir die richtigen Leute reingeholt.«
Im Oktober 2018 gab es auch schon die erste Finanzierungsrunde. »Wir sind Venture-Capital-finanziert«, macht Erger klar. Mit Vorwerk Ventures stieg der erste Investor Anfang 2019 ein, es folgten die BayBG, die Bayerische Beteiligungsgesellschaft, und Circularity Capital, ein zirkulärer Fonds aus Edinburgh, sowie Tengelmann Ventures. Zuletzt kam Decathlon im Jahr 2024 dazu. »Über die Jahre haben wir uns einige Investoren ins Boot geholt.« Es bedeute nicht zuletzt, dass man sehr solide finanziert sei. Über die verschiedenen Finanzierungsrunden kam so einiges Geld in das Unternehmen. Wie viel genau, will Erger nicht kommunizieren. Lieber widmet er sich dem Thema, wofür dieses Geld eingesetzt wird – und wofür nicht mehr.
Rebike durchlief mit seinen Investoren eine bemerkenswerte Evolution der Geschäftstätigkeit. Schon im zweiten Jahr stellte sich vor allem die Frage nach der Beschaffung. »Wir haben gesehen, der Absatz funktioniert, aber wo kriegen wir jetzt eigentlich die gebrauchten E-Bikes her?«, fragten sie sich bei Rebike. Das Problem war vor allem, dass man es auf Premium-E-Bikes abgesehen hatte, die zu dieser Zeit nicht überall zu haben waren. »Wir haben gemerkt, dass wir gar nicht so viel gebrauchte Räder auf dem Markt bekommen. Also fingen wir an, unsere eigenen Räder zu produzieren.« Das war der Beginn für den ersten Rental Store in Oberstdorf. Feriengäste konnten im Urlaub ihre ersten Erfahrungen mit E-Bikes machen, nach der Mietphase wurden die Räder dann über Rebike weiterverkauft. »Die Idee war dann, Satelliten im Allgäu zu eröffnen und sich in Richtung Alpenkamm auszubreiten.« Schon zu dieser Zeit musste das Refurbishment dieser Räder sichergestellt werden. Aufgrund der Logistik sollte es im Allgäu sein, so kam es zum Standort in Kempten.
_Der Aufwand, den Rebike beim Refurbishing treibt, ist ausgesprochen hoch. Immerhin muss der gesamte Fahrradmarkt bewältigt werden können, vom Rennrad bis zum schweren Lastenrad. _
Nach einem Jahr Radverleih öffnete man einen zusätzlichen stationären Laden, in dem die »jungen Gebrauchten« verkauft wurden. Doch das stationäre Geschäft hat seine eigenen Herausforderungen. »Zum einen haben wir bemerkt, dass die Nachfrage so stark war, dass wir das stationär gar nicht gedreht bekommen, und zum anderen, dass die Stores mit Personal und allen Strukturen auszubauen, eigentlich viel zu teuer war.«
So kam es zur Idee, E-Bike-as-a-service anzubieten, also das E-Bike im Abo anzubieten. Die nächste Evolutionsstufe von Rebike war geschaffen. Über E-Bike-Abo.de konnten Elektrofahrräder abonniert werden. Doch auch dieses Modell neigt sich dem Ende zu. »Die Seite gibt es noch, aber man kann dort keine neuen Bikes mehr mieten«, erklärt Erger. Zwar habe die Plattform gut skaliert, erklärt Erger, aber es gab auch eine Lernkurve mit viel Diebstahl, defekten Rädern und nicht wieder zurückgegebenen Bikes. Dazu kamen die relativ komplexen Prozesse dahinter. Der Customer Care Service bei Rebike beschäftigt auch heute noch zehn Personen.
Als dann Corona kam, brach auch bei Rebike Goldgräberstimmung aus. »Nach einer Woche Stillstand ging das voll durch die Decke. Dann haben wir gesagt, okay, damit bekommen wir das skaliert.« Auch die Hersteller waren nun in der Breite für dieses Konzept zu gewinnen, was zu einem größeren Portfolio führte und sehr großen Stückzahlen. Da lag es nahe, die Strategie erneut zu überdenken. »Wir haben uns gesagt: wenn das funktioniert, werden wir stationär nicht mehr weiter expandieren«, erläutert Erger. Man hatte Tausende Abonnenten, die monatliche Zahlungen leisteten, und Rechnungen von Lieferanten, deren Zahlungsziele eingehalten werden mussten. Der Aufwand war so groß, dass man eine eigenen Finance GmbH gründete, um das sauber finanziert zu bekommen. Ein Learning war, das die Kundschaft meist die längste Mietdauer nahm, weil das die günstigste Variante für sie war.
Doch so erfolgreich das Modell auch war, wartete eine noch bessere Möglichkeit auf Rebike. Als der Münchner Refurbisher Bikesale Solutions im Jahr 2023 Insolvenz anmeldete, kamen dessen Kunden, ihres Zeichens Leasing-Provider, auf Rebike zu: Könnt ihr? Wollt ihr? »Wir haben die Chance genutzt«, sagt Erger heute. »Das war für uns der Einstieg in diesen Bereich und der Punkt, an dem wir gesagt haben, jetzt sind wir eigentlich wieder da, wo wir gegründet haben: eine Plattform für gebrauchte E-Bikes«, erinnert sich Erger.
Schnell war klar, dass man die eigene Dienstleistung auch allen anderen Leasing-Unternehmen anbieten konnte. In diesem Moment traf man einmal mehr den Zeitgeist, denn erstmals kamen wirklich relevante Stückzahlen als Leasing-Rückläufer auf den Markt.
Der Schrottplatz bei Rebike: Nicht alles, was zurückkommt, ist wieder verwertbar. Wenn ein Leasing-Rückläufer derart ramponiert ist, dass ein Refurbishing unmöglich wird, etwa durch Unfallschäden, bleibt das auch für die Leasing-Nehmer nicht ohne Folgen. Sie werden dann noch mal kontaktiert.
Inzwischen ist das der Bereich, in dem die Musik spielt. Nun war es an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden. Stationäre Verleihgeschäfte in touristischen Regionen? Geschichte. E-Bike-as-a-service? Wird abgewickelt. Stationärer Verkauf von Gebrauchten? Der bleibt, allerdings wird da bis auf Weiteres nicht mehr ausgebaut. Stattdessen bekommt die Kooperation mit Co-Investor Decathlon eine neue Qualität. Die Multisportler stellen eigene Ladenflächen für die refurbishten Marken-Bikes zur Verfügung.
Aufwendige Aufbereitung
Rebike selbst steckt unterdessen viel Energie in den eigentlichen Aufbereitungsprozess. Immerhin müssen in diesem Jahr erwartete 25.000 bis 30.000 Bikes im Allgäu aufbereitet werden. »Wir haben die Kapazität dafür jetzt aufgebaut«, macht Erger den Umfang deutlich. Ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. »Wir wachsen jedes Jahr um die 60 Prozent. Das war die letzen Jahre so und wird die nächsten zwei, drei Jahre so sein.« Bei diesen Dimensionen ist klar, dass für Rebike auch kleine Verbesserungen große Wirkung entfalten können. Als Beispiel sei die Fahrradwaschanlage genannt, deren Entwicklung mit einem soliden sechsstelligen Betrag zu Buche schlägt. Zwei dieser Anlagen waschen jeweils etwa 80 Räder täglich vollautomatisch. Die einstige Handwäsche kommt heute nur noch für Lastenräder zum Einsatz. Das Waschwasser wird direkt in der Halle wieder aufbereitet, es wird also kein Wasser verbraucht.
Wenn ein neues, gebrauchtes Rad ankommt, wird es zunächst einmal durchgecheckt. Was hier durchfällt, landet auf dem »Schrottplatz« der Räder, für die eine Aufbereitung nicht mehr möglich oder sinnvoll ist. Das betrifft weniger als 1 Prozent der Rückläufer.
Wenn doch refurbished wird, dauert der gesamte Prozess im Schnitt etwa zweieinhalb Stunden. Darin enthalten sind die Inspektion, das Reinigen, der mehr oder weniger umfangreiche Instandsetzungsprozess, die Qualitätskontrolle, der Zwischenstopp im Fotoatelier und das Einlagern beim Logistiker.
Zudem organisiert Rebike auch die Abholung der Rückläufer, auch das gehört zum Full-Service-Angebot. »Wir sind Problemlöser für die Leasing-Gesellschaften. Das ganze Thema ist ja Remarketing. Und dieses Remarketing mit Abholung, Refurbishment und Vermarktung baut man nicht mal eben in einem Sommer oder in einem Jahr auf«, verdeutlicht Erger. Zumal »die zweite Kompetenz, der Absatz, genauso wichtig ist«.
Dieser Absatz ist gerade in Zeiten von hohen Rabatten besonders erschwert. Hier zeigt sich auch, dass immer ein gewisser Abstand zu Neupreisen nach unten gewahrt werden muss. Zugleich hat Rebike auch einen steigenden Einfluss darauf, was überhaupt am Anfang der Kette verleast werden kann. Wenn absehbar ist, dass ein Fahrrad oder E-Bike nach drei Jahren nicht weiterverkauft werden kann, könnte es vom Leasing von vornherein ausgeschlossen werden. Aktuell sind fehlende Ersatzteile für die Werkstatt ein Problem, das Erger umtreibt. Auch das könnte einmal zu Konsequenzen führen. Noch werden solche Ansätze, soviel wird im Gespräch klar, bislang nur rudimentär umgesetzt. Betriebswirtschaftlich haben sowohl Rebike als auch die Leasing-Gesellschaften natürlich kein Interesse daran, auf Ladenhütern sitzen zu bleiben. Und was schließlich die Ladenhüter sind, weiß Rebike inzwischen mit am besten.
Rebike ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie sich der Gebrauchtradmarkt in den letzten Jahren entwickelt hat – und auch, wie schnell sich die Strukturen gewandelt haben. Heute dürfte durch den Leasing-Rücklauf der Bedarf an guten Gebrauchten im Markt langfristig sichergestellt sein. Ob das vielleicht sogar schon zu viele Räder werden, wird die nächste Zukunft zeigen. 80 Prozent seiner Umsätze erzielt Rebike online, den Rest tragen die stationären Läden bei sowie das B2B-Geschäft mit dem Ausland, wo die (Bio-)Räder hingehen, die hierzulande refurbished nicht verkäuflich sind. Das Geschäftsmodell hat Rebike vom Nischenanbieter zu einem zentralen Player mit derzeit etwa 140 Mitarbeitenden gemacht, der heute auch mitbestimmt, wie die Spielregeln bei der Rücknahme sind. Die Leasing-Anbieter sind auf Unternehmen wie Rebike angewiesen und agieren mit ihnen auf Augenhöhe. Keine schlechte Entwicklung für einen Betrieb, der mal ganz klein angefangen hat und heute nicht mehr wegzudenken ist. //
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