
Produktlaunch und Interview
"Werden dieses Jahr das beste Ergebnis der Firmengeschichte erzielen"
Das neue Kinderlaufrad WoW rundet das Zweiradsortiment von Woom altersmäßig nach unten ab. Das selbstbalancierende Laufrad soll die Kleinsten im Alter von 9 bis 36 Monaten bereits an die Marke heranführen. Bernd Hake, CEO des Unternehmens, nahm sich bei der Präsentation des neuen Produkts auch die Zeit, über die weiteren Pläne von Woom Auskunft zu geben und seinen Blick auf die Branche zu erläutern, in der er nun seit einem Jahr wirkt.
Interview mit Bernd Hake, CEO von Woom
Herr Hake, Sie sind seit gut einem Jahr CEO von Woom. Was war Ihr erster Eindruck von der Fahrradbranche?
In den Unternehmen, in denen ich zuvor tätig war, stand das Thema Produktfokus und Engineering nicht so im Mittelpunkt wie hier. In der Fahrradbranche ist die Liebe zum Produkt enorm. Diese Begeisterung ist eine große Stärke. Gleichzeitig sehe ich Schwächen in der Supply Chain: Es dauert sehr lange, ein Fahrrad zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Zudem fehlt oft emotionales Marketing. Marken wie Red Bull oder Hugo Boss haben gezeigt, wie stark Emotionen Markenbildung prägen können. Das passiert im Fahrradbereich noch zu selten. Auch das Zusammenspiel von Design, Engineering, Marketing und Vertrieb ist hier weniger integriert als bei anderen Lifestylebranchen.
Wie emotional würden Sie Ihre eigene Marke Woom auf einer Skala von 1 bis 10 einstufen?
Etwa bei 6 bis 7. Da ist noch Luft nach oben. Wenn ich Menschen bitte, zu malen, wofür Woom steht, entstehen rote Fahrräder, kleine Kinder, Eltern, die die Hand halten. Das ist schön – steht aber nur für den Anfang des Radfahrens. Wir stehen auch für Abenteuer, Freundschaft, Träume. Für Kinder, die sich zum ersten Mal freihändig zu fahren trauen oder über eine Pfütze springen. Diese Geschichten möchten wir künftig emotionaler erzählen.
Was haben Sie bei Ihrem Amtsantritt vorgefunden?
Vor allem ein großartiges Produkt und eine starke Marke. Ich kannte Woom vorher nicht, in England ist die Marke noch wenig bekannt, aber Freunde mit Kindern kannten sie alle. Was mich überzeugt hat, war die Kombination aus hoher Weiterempfehlung, Nachhaltigkeit durch hohen Wiederverkaufswert und der Wandel vom Direct-to-Consumer-Unternehmen hin zu einem echten Omnichannel-Anbieter. Dazu kommt ein stark besetztes Board mit erfahrenen Persönlichkeiten aus Retail, Private Equity und Industrie.
Trotzdem mussten Sie einen Turnaround einleiten.
Ja, im letzten Jahr haben wir einen deutlichen Millionenverlust gemacht. Inzwischen ist das Unternehmen wieder profitabel.
Wie stark hat Sie die Insolvenz des Zulieferers Sprick getroffen?
Am 7. Januar bekamen wir die Nachricht, dass Sprick Insolvenz angemeldet hat. Von einem Tag auf den anderen fehlten uns rund 60.000 bis 80.000 Fahrräder für die Saison. Das war ein Schockmoment. Aber unser Team hat sofort reagiert, Bestände neu verteilt, alternative Produktionspartner in den baltischen Staaten und Osteuropa gefunden – und sogar nochmal Ware von Sprick bekommen. So konnten wir die Saison erfolgreich meistern.
Wir haben den Umsatz in der ersten Jahreshälfte 2025 um 41 Prozent gesteigert und sind aktuell bei knapp 117 Millionen Euro Umsatz. Wir werden also dieses Jahr das beste Ergebnis der Firmengeschichte erzielen. Das war nur möglich, weil das gesamte Team sehr eng zusammengearbeitet hat – Vertrieb, Marketing, Supply Chain und Finanzen. Das hat mich begeistert.
Wo produziert Woom heute?
Unsere Produktion ist breit aufgestellt: Wir assemblieren in Asien, den baltischen Staaten und Polen. Das neue Laufrad wird in Portugal gefertigt.
Wie sehen Sie die aktuelle Marktsituation im Kinderradsegment?
Das Kindersegment war von der allgemeinen Fahrradkrise weniger betroffen. Dennoch hat sich der Markt verändert: Eltern achten stärker auf Ergonomie, unternehmensseitig nimmt die Digitalisierung der Prozesse zu und auch in der Logistik steigen die Anforderungen. Wir waren im Direct-to-Consumer-Bereich früh gut aufgestellt, im B2B-Bereich müssen wir noch zulegen.
Welche Themen treiben Sie aktuell besonders um?
Ganz klar: der US-Markt. Dort wachsen wir zwar über B2B, verlieren aber im Direct-to-Consumer-Geschäft. Daran arbeite ich derzeit intensiv. Deutschland ist unser größter Markt, Polen wächst stark, und in den USA verkaufen wir derzeit rund 70.000 Räder pro Jahr. Dort gibt es ernstzunehmende Wettbewerber, vor allem durch starkes, emotionales Marketing – das nehmen wir uns durchaus zum Vorbild.
Welche Rolle spielt das neu vorgestellte Laufrad Wow im Sortiment?
Wir wollen Kinder noch früher ans Radfahren heranführen. Unser Ziel ist, 100.000 Einheiten dieses Einstiegsprodukts zu verkaufen – wahrscheinlich bis 2030. Es geht dabei weniger um Umsatz, sondern um Bindung: Wir wollen die komplette Radfahrreise vom ersten Laufrad bis zum Teenager begleiten.
Die Gründer Christian Bezdeka und Markus Ihlenfeld sind weiterhin beteiligt. Welche Rolle spielen sie heute?
Sie sind mit knapp 50 Prozent am Unternehmen beteiligt, haben kürzlich ihre neue Marke mit ins Woom-Office geholt und sind wichtige Mentoren. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Sie bringen Ideen ein, helfen beim Marktverständnis und sind einfach großartige Sparringspartner.
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