
Kolumne - Carsten Bischoff
Zeigt uns eure Qualitäten!
... was ist, wenn die Praxis eine ganz andere Sprache spricht? Und schon ist der Bogen zu meinem momentanen Lieblingsthema gespannt.
Wir als Händler vor Ort, als Speerspitze im Markt, die jedes Zucken der Kundschaft und jedes Problem sofort und ungefiltert reflektiert bekommen, sollten uns darüber bewusst sein, was wir für unsere Lieferanten vor Ort leisten und wie wir aktuell dafür entlohnt und behandelt werden.
Seit geraumer Zeit schleicht sich das Gefühl ein, dass sich zwischen Händler und Hersteller bzw. deren Serviceabteilungen so hohe Mauern aufbauen, dass oft genug der Händler keine Möglichkeit mehr sieht, diese Mauern hochzuklettern, während der Hersteller von oben herunterschaut und mit Glück einen kleinen Hinweis gibt, wie man es eventuell schaffen könnte.
Wünschenswert wären Brücken, um gemeinsam das Problem zu lösen. Ungefähr genauso, wie wir zusammen mit unseren Kunden Probleme lösen. Für alle Seiten zur besten Zufriedenheit. Das ist fühlbare Qualität, die Vertrauen erzeugt.
Wenn Probleme auftreten, werden wir Händler zumeist zu den Herstellern der Komponenten verwiesen, obwohl der Hersteller des Rades dafür geradestehen muss.
Für den Aufwand, um ein Fahrrad oder E-Bike wieder in Gang zu bringen, bekommen wir eine Art warmen Händedruck überwiesen. Das müssen wir dann aber auch noch auf einem Zettel beantragen und bekommen es nicht automatisch, wenn wir den Schaden melden.
Ein transparentes Ticketsystem sollte eine Art Markteintrittshürde eines jeden Herstellers sein. Erschwerend kommt noch dazu, dass die meisten Probleme durch mangelhafte Montage von sensiblen Bauteilen entstehen und teilweise miserabel konstruiert wurde. Wenn das Rad erst mal beim Händler steht und womöglich schon verkauft ist, muss sich ja der Händler wegen des Problems mit den Teilelieferanten auseinandersetzen. Und die schütteln hörbar am Telefon den Kopf, wie unterirdisch die Vormontage von Fahrrädern ausfallen kann.
Gute Beispiele sind schon im Auslieferungszustand schleifende Bremssättel, grob zusammengeworfene E-Bike-Bauteile, Distanzstücke zum Kaschieren von Fehlern, Schaltwerke, die demontiert werden müssen, wenn das Hinterrad ausgebaut werden muss und, und, und. Wenn uns dann noch der Hersteller ohne Verständnis und kaltschnäuzig abtreten lässt, muss man kein Wahrsager sein, um zu ahnen, was das mit uns Händlern macht: Verzweiflung, Wut, Misstrauen und Resignation. So gibt es jedes Jahr bei uns einen neuen Gewinner-Lieferanten für das »rostige Ritzel«. Das hat einen psychologischen Vorteil für die Vorjahressieger. Man denkt, sie sind besser geworden. Sie sind aber genauso schlecht geblieben. Es geht nur noch schlechter.
Weitaus interessanter sind Folgen daraus. Fahrräder und E-Bikes mit bestimmten kritischen Bauteilen werden vom Handel gar nicht mehr eingekauft. Da kann das Rad noch so schön sein. Die Qualität in der Praxis und im Problemfall ist entscheidend für den Erfolg am Markt. Im schlimmsten Fall trennt man sich sogar von einem Lieferanten, der die Botschaften dauerhaft nicht verstanden hat.
Jetzt ist eine gute Zeit, dieses Thema für 2026 neu zu justieren. Überrascht uns, aber enttäuscht uns nicht.
Carsten Bischoff ist Fahrradhändler in Dresden.
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