ZIV feierte in Berlin Premiere der Technik-Konferenz

Wenn der Zweirad-Industrie-Verband nach Berlin ruft, dann geht es oft um politische Themen. Fragen wie: "Welche Rolle kann das Fahrrad bei der Verkehrswende spielen oder wie kann das Fahrrad in der politischen Diskussion eine größere Rolle spielen?" stehen dann auf der Tagesordnung.

Beim jüngsten ZIV-Termin, der ersten Technik-Konferenz 2023, lagen die Themenschwerpunkte freilich an ganz anderer Stelle. Und ein Blick in den Programmplan ließ eher trockene Kost vermuten, angesichts der angesetzten Beiträge mit verschiedenen Annäherungen zu den Themengebiet Normen, Regulierung und Forschung.

Doch bereits die Begrüßung durch ZIV-Vorstandsmitglied Guido Müller sorgte für einen ersten Aha-Effekt bei den rund 100 Teilnehmenden, meist aus den Technik- und Entwicklungsabteilungen der ZIV-Mitgliedsunternehmen, die nach Berlin in die Räumlichkeiten des ehemaligen Kreuzberger Umspannwerkes gekommen waren.

Guido Müller demonstrierte in einem kurzen Video die Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz heute schon mit bietet - und zwar mit recht geringem Aufwand. Ein täuschend echter Avatar von Guido Müller begrüßte dort das Publikum in perfekter italienischen Sprache. "Und dabei kann ich gar kein Wort Italienisch", so Müller.

Um künstliche Intelligenz sollte es bei dem ersten Technik-Forum des ZIV jedoch (noch) nicht gehen. Vielmehr sollte die Bedeutung von Normen und Regulierungen im Allgemeinen und insbesondere in Bezug auf die Fahrrad- und E-Bike-Branche deutlich gemacht werden. ZIV-Leiter Technik und Normung Tim Salatzki erklärt dazu: „Die neuen technischen Möglichkeiten bei Fahrrädern und E-Bikes und die breite Diversifizierung bei den Produkten bis hin zu innovativen Lastenrädern für den privaten und gewerblichen Bereich bieten viele neue Chancen für das gesamte Ecosystem Fahrräder. Gleichzeitig werden die gesetzlichen Regelungen und Anforderungen, die sich hauptsächlich in der EU, aber auch auf internationaler Ebene rasant entwickeln, enorm herausfordernd für unsere Branche."

Die Herausforderung ist auch dadurch groß, weil entsprechende Fachkräfte und Spezialisten zu diesem Thema für Unternehmen in der Fahrradbranche oftmals nur schwer zu finden sind, wie in einem Plenum im Rahmen der Veranstaltung von Industrievertretern deutlich gemacht wurde.

Normen mitgestalten

Wie entwickeln sich die europäische und nationale Gesetzgebung zu E-Bikes?", „Überfordern Normung und Regulierung die Branche?", „Tuning – erkennen, verhindern, damit umgehen" oder „Der digitale Produktpass" – so lauteten nur einige der intensiv diskutierten Fragen und Themen. Eine Quintessenz aus diesen Fragen formuliert Salatzki abschließend so: „Die einzelnen Technikthemen sind enorm vielfältig und können in der nötigen Tiefe und Komplexität von den wenigsten Unternehmen im Alleingang bearbeitet werden. Deshalb ist es wichtig, Räume für Information und Austausch zu schaffen. Der ZIV bietet hier die nötige Plattform und Koordination." Oder anders ausgedrückt: Die Fahrradindustrie ist aufgerufen, ihre Kräfte zu bündeln und sich auch beim Prozess der Normenentwicklung und Gestaltung aktiv zu beteiligen.

Beispielhaft wurden in Berlin die anstehenden Regularien bei Lastenrädern genannt. „Fundierte Branchenexpertise ist hier sehr willkommen", konstatiert Tim Salatzki.

Und auch außerhalb des Kernmarkts EU bestehe Handlungsbedarf: „Wenn wir uns den wachsenden Bereich der Machine-to-Machine (M2M)- oder Vehicle-to-X (V2X)-Kommunikation, also den automatisierten Informationsaustausch zwischen Endgeräten sowie Fahrzeugen anschauen, sehen wir sofort den Bedarf, weltweit gültige Standards zu entwickeln, von denen dann alle profitieren, zum Beispiel in der Verkehrssicherheit", so Salatzki.

Auch das Thema Nachhaltigkeit, das neben der Produktsicherheit in der EU weiter an Bedeutung gewinnt, wurde behandelt. Tobias Schulze-Wettendorf, Leiter Vertrieb GRS (Gemeinsames Rücknahmesystem Servicegesellschaft) stellte in einem Beitrag das Rücknahmesystem für Batterien vor. Das Branchensystem für die Rücknahme von E-Bike-Batterien wurde bereits im Jahr 2010 vom ZIV gemeinsam mit GRS auf den Weg gebracht. In einem Parallel-Vortrag ging Fahrradsachverständiger Ernst Brust auf das Thema Tuning bei E-Bikes ein.

Der ZIV kann also auf eine gelungene Premiere zurückblicken, die auch eine eher seltene Möglichkeit zum Austausch von Technik- und Entwicklungsexperten aus den Fahrradunternehmen untereinander bot. Guido Müller erklärte, abschließend: „Der große Zuspruch bei der ersten ZIV Technik Konferenz zeigt die Innovationskraft und das Lösungsbewusstsein der Fahrradbranche. Seit 135 Jahren sind der ZIV und seine Vorgängerverbände in allen technischen Fragen die erste Adresse für unsere Mitglieder. Mit dem neuen Konferenzformat bringen wir den inhaltlichen Austausch zur Technik in unserer Industrie weiter voran – und schließen eine Lücke."