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Report - Recyclingsystem E-Bike-Akkus

Kreislaufprobleme?

Seit 2009 gibt es eine einheitliche Branchenlösung, innerhalb der E-Bike-Akkus zum Recycling zurückgeführt werden. Wie sieht es derzeit mit Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft aus? Eine nicht einfach zu beantwortende Frage.

Nach dem Batteriegesetz von 2009 muss eine E-Bike-Batterie nach ihrer Nutzungszeit dem Recycling zugeführt werden. Wer ein E-Bike herstellt oder auf den Markt bringt, muss die Kosten dafür übernehmen. Vertreibende wie etwa Fachhändler und -händlerinnen müssen die Möglichkeiten dafür schaffen. Die Endkunden und -kundinnen müssen die Stromspeicher zu den Sammelstellen, also meist den Händlern, bringen. Das legt das Batteriegesetz fest, und so wird die Recycling-Logistik auch gehandhabt, denn seit 2009 gibt es die vom Zweirad-Industrieverband ZIV und von der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (GRS) ausgearbeitete Branchenlösung für E-Bike-Akkumulatoren.
Dazu gehört zunächst, dass die Verbraucher bereits beim Kauf im Fachhandel oder online darüber informiert werden, dass er oder sie den Akku zur Verkaufsstelle bringen muss, wenn er defekt ist oder ausgemustert wird, weil er seinen Zweck nicht mehr hinreichend erfüllt. Das Gleiche gilt, wenn das E-Bike nicht mehr genutzt wird. Der E-Bike-Fachhandel wird zu diesen Dingen üblicherweise von Verbänden, Herstellern und Dienstleistern geschult. Für ihn ist die Rücknahme der Akkus auf den ersten Blick mit wenig Aufwand verbunden. Er bekommt von der GRS Behälter zur Verfügung gestellt, in denen er die Stromspeicher sammeln kann. Der regionale Recyclinghof ist übrigens nicht dazu verpflichtet, E-Bike-Batterien anzunehmen. Oft arbeiten die Wertstoffsammelstellen aber auf freiwilliger Basis mit der GRS zusammen.
»Bezahlt wird dieses System vom Hersteller beziehungsweise Importeur. Er zahlt für jede in den Umlauf gebrachte Batterie einen Obolus, einen einstelligen Euro-Betrag«, erklärt Tim Salatzki vom ZIV. »Im Vergleich zur Automotive-Branche sind unsere Volumina aber natürlich sehr klein.« Derzeit sind laut GRS 155 Hersteller mit der GRS verpartnert. In der letzten Zeit wurden vielerorts neue Möglichkeiten geschaffen, um das Recycling auch in Deutschland oder Europa zu bewerkstelligen. Früher war dies traditionell ein Job, der in Fernost erledigt wurde, mit einer Qualität und Effizienz, die man sich in Deutschland gerade erarbeitet.
»Natürlich gibt es auch gesetzliche Berichts- und Nachweispflichten, die die GRS für die Hersteller übernimmt«, so der Leiter Technik und Normung beim Verband. Allerdings gibt es für E-Bike-Batterien, die zu den Industriebatterien gehören, derzeit keine gesetzliche Mindestrate darüber, wie viele Akkus recycelt werden müssen.
»Die größte Herausforderung bei diesem System ist die Praxis der Endverbraucher und -verbraucherinnen«, so Salatzki. »Ungenutzte E-Bikes oder gar defekte Akkus bleiben oft jahrelang im Keller liegen – das ist eine echte Gefahr!« Klar und geregelt ist dagegen die Logistik bei der Rückholung. Speziell geschultes Personal holt im Auftrag der GRS die »abgelaufenen« Stromspeicher ab und leitet sie weiter zum Recycler.

Wie erfolgreich ist das System?

Nicht einfach zu klären ist dagegen, wie konsequent das System wirklich umgesetzt wird. Zum einen gibt es sicher schwarze Schafe unter den Herstellern, die nicht in den gemeinsamen Topf einzahlen und trotzdem vom System profitieren. Hier arbeitet die GRS eng mit dem ZIV zusammen, um noch weitere Partner zu gewinnen. Zum anderen, und das ist wohl ausschlaggebender, ist eine Berechnung der tatsächlichen Menge an Akkus, die zum Recycling geführt worden sind, zwar nachvollziehbar, nicht aber, von wann die jeweiligen Akkus stammen. Eine verfügbare Zahl: 2019 betrug die Sammelmenge in Deutschland 123 Tonnen an E-Bike-Batterien. Bei einem Akkugewicht von zwei bis drei Kilogramm im Schnitt wären das rund 50.000 E-Bike-Akkus, die dem Recycling zugeführt wurden. Wenn man an die eine Million E-Bike-Verkäufe in jenem Jahr denkt, sieht man schnell, dass Verkaufszahlen von E-Bikes und Rückführzahlen nicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden können, was auch naheliegend ist. Nicht jedes neue E-Bike ersetzt ein altes. Selbst wo das der Fall ist, bedeutet es nicht, dass das ausgemusterte Elektrorad gleich recycelt wird. Ein weiterer Punkt: Sieht man auf die gerade erschienene Zahl der GRS für 2021, ist zu erkennen, dass man mit 105 Tonnen zwar etwas höher liegt als im Jahr 2000 (102 Tonnen), die drei Jahre vorher aber etwas mehr gesammelt wurde. (Die in den Verkehr gebrachte Masse für 2020 und 2021 ist laut GRS noch nicht eruiert). Wie ist das möglich, gab es doch in den letzten fünf Jahren einen enormen Boom in der E-Bike-Branche? »Die Sammelleistung ist stabil«, sagt Tobias Schulze Wettendorf, Leiter Marketing und Vertrieb beim GRS. »Wenn wir in eine Marktphase eintreten, in der das Produkt immer reifer wird, dann ändert sich die Dynamik. Heute gibt es außerdem mehr Rücknahmestellen und damit mehr Lager für die zurückgegebenen Batterien, sodass auch die Abholung durch die GRS-Partner später erfolgt. Die Lebensdauer der Akkus hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Man rechnet nicht mehr mit drei, sondern eher mit acht Jahren, die Pflege und Intensität der Nutzung sind aber entscheidend.« Eine Einrechnung ist also tatsächlich fast unmöglich. Die Zahl der beteiligten Fahrradfachgeschäfte liegt laut GRS heute übrigens bei etwa 2700.

Stark zeitversetztes Recycling

Dazu kommt der schon genannte Keller-Effekt. Die defekte Batterie oder das komplette defekte E-Bike wird oft jahrelang stehen gelassen.


_Die Masse der Akkus, die sich derzeit im Markt befindet, wird erst viel später in die Recycling-Kreisläufe zurückkommen. _

Diese Punkte einbezogen, scheinen die Zahlen der Rückläufe erst über viele Jahre einen Rückschluss darauf zuzulassen, zu welchem Prozentsatz die Energiespeicher wirklich im Jahr recycelt werden. So wird der größte Teil der Batterien der 2022 verkauften E-Bikes wohl erst Ende der Zwanzigerjahre, Anfang der Dreißigerjahre in die Wiederverwertungs-Tonnen des Fachhandels wandern.
Schon 2021 forderte die Deutsche Umwelthilfe DUH ein Pfand auf E-Bike-Batterien und bekräftigte das vor wenigen Wochen nochmals, als die Verhandlungen zur EU-Batterieverordnung begannen.

»Der Bedarf an Ersatzakkus für E-Bikes wächst stärker als die Zahl der verkauften E-Bikes.«

Daniel Maiberger, Akku Vision

Ein Thema, das die GRS aus verschiedenen Gründen skeptisch sieht.
Die DUH fordert auch ambitioniertere Rückführziele. 90 Prozent der E-Bike-Batterien sollen laut ihr dem Recycling zugeführt werden. Im Jahr 2021 wurden hierzulande laut ZIV-Zahlen rund 2,7 Millionen E-Bikes an den Handel gegeben (Summe aus deutscher Produktion und Import minus Export). Das zeigt, mit welchen großen Zahlen die Umwelt- und Recycling-Industrie in Zukunft umgehen können muss.
Denn eine Verschärfung muss kommen, da ist ist man auch bei der GRS sicher. »Wir arbeiten mit dem ZIV zusammen auch daran, dass noch nicht beteiligte Hersteller eingebunden werden«, erklärt Schulze Wettendorf. Auch »die Zirkularität wird erhöht werden«, bekräftigt er. »Es sind Vorgaben für die Verwertung von recycelten Materialien in Neubatterien vorgesehen, sodass es bald keine Neubatterien ohne einen bestimmten Gehalt an Rezyklaten geben wird.« Derzeit werden die E-Bike-Batterien laut Schulze Wettendorf fast ausschließlich in Deutschland recycelt, in Zukunft wird man auch im europäischen Norden Partner haben, dort recycle man heute schon sehr effizient.

Ein Second-Life-Markt als Teil der Lösung?

Wäre es möglich, mit E-Bike-Batterien, die von den Kunden und Kundinnen abgegeben werden, einen Second-Life-Markt aufzubauen? E-Bike-Batterien haben nach 1000 Ladezyklen oft noch 80 Prozent oder mehr Kapazitätsleistung. Wer eine etwas geringere Reichweite akzeptiert, könnte diese Batterien also weiter nutzen. Problematisch wäre für den gewerblichen Handel der Sicherheitsaspekt: Die gebrauchten Batterien müssten auf Kapazität und Sicherheit kontrolliert werden können, denn Beschädigungen an den Zellen oder falsche Behandlung können schnell zu gefährlichen Fehlfunktionen führen.
Hannes Neupert, E-Bike-Experte vom Verein Ex­traenergy findet diese Idee gut, aber derzeit nicht realistisch: »Für einen Gebrauchtmarkt braucht es verlässliche Auslesemethoden, nach denen jede Person einfach und zuverlässig die Infos zum Restwert des Akkus auslesen kann. Solange das nicht herstellerübergreifend möglich ist, kann man das nicht machen. Denn einem Akku kann man nicht ansehen, was er noch leistet. Offensichtlich haben die aktuellen Marktspieler kein Interesse an einer langen Produktlebensdauer und einem vitalen Second-Hand-Markt. Das ist schade und torpediert die pozentiell gute Ökobilanz der Pedelecs. Eine lange Nutzungsdauer inklusive Second Life ist relevant, wenn es um die Ökobilanz des Produkts geht.« Vorerst wird also recycelt, was durchaus noch in der Praxis zu nutzen wäre.

Rücklauf mit Wartezeiten

Für den Handel sollte die Abholung der Recycling-Akkus eigentlich unkompliziert laufen: Ist ein von der GRS zur Verfügung gestellter Behälter voll, benachrichtigt man den vom GRS beauftragten und geschulten Abholdienst. Der kommt, um den Behälter gegen einen neuen auszutauschen und die Recyclingware mitzunehmen. Stichprobenartig angefragte Händler sprechen allerdings von sehr langen Wartezeiten und geringer Termintreue für die Abholung. Bei der GRS kennt man das Problem. »Eigentlich haben wir 15 Tage als Vorlauffrist. Die können wir aber oft nicht einhalten. Sicher spielt hier in den letzten Jahren auch die Pandemie eine große Rolle«, so der Vertriebsleiter.


Je größer die Akkupacks werden, die zurück in das Recycling kommen, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie einst einer Second-Life-Nutzung zugeführt werden können.

»Es fehlen Lkw-Fahrer, in der Logistik wurde es allgemein enger. Aber wir wollen das nicht alles auf Corona abwälzen, auch die strukturellen Veränderungen der letzten Jahre spielen hier hinein. Wir arbeiten daran, hier zuverlässiger zu werden.«

Diebstahl und Defekt als Ursache

Fragt man bei der Händlerschaft an, hört man: Derzeit werden noch eher wenige E-Bike-Akkus aufgrund von Defekten oder zu geringer Restkapazität zurückgegeben. »Meist kaufen die Leute einen Ersatzakku aufgrund von Diebstahl«, erklärt Lothar Könekamp vom Nippeser Radlager in Köln. Wie dort verkauft auch das Fachgeschäft Rad ab in Düsseldorf etwa 10 bis 15 Ersatzakkus pro Jahr. Thorsten Larschow, Geschäftsführer von Rad und Tour in Cuxhaven kommt dagegen, bei wohl etwas größerem Einzugsbereich, auf das Fünffache. Bei ihm geht es tatsächlich vorwiegend um Ersatz für kaputte oder leistungsarme, nicht für gestohlene Akkus. »Die Zahl der verkauften Ersatzakkus verdoppelt sich jedes Jahr«, so Larschow. Also gibt es auch beim Fachhandel ein dynamisches, aber kein einheitliches Bild. Klar ist: Die Menge an zurückgegebenen Batterien und die der verkauften E-Bikes sind auch aus dieser Perspektive kaum in Relation zu setzen.

… bei starker Dynamik im After Market

Hersteller und Vertreiber von Ersatzakkus bestätigen allerdings eine klare Entwicklung: »Der Bedarf an Ersatzakkus für E-Bikes wächst stärker als die Zahl der verkauften E-Bikes. Wir konnten unsere Umsätze in den letzten fünf Jahren pro Jahr mehr als verdoppeln«, erklärt Daniel Maiberger, Geschäftsführer von Akku-Vision, einem deutschen Unternehmen, das unter der Marke E-Bike Vision Ersatzakkus entwickelt und vertreibt. Laut Maiberger sind trotzdem die seit 2012 hergestellten Ersatzakkus noch zu über 99 Prozent im Einsatz. Dabei bekräftigt man bei Akku Vision, dass Endkunden oft nicht nur einen Reserve-Akku für ihre Original-E-Bike-Batterie kaufen, sondern oft den Wunsch nach einem Akku mit höherer Kapazität beim Unternehmen erfüllt bekommen. Beim System-Marktführer Bosch sieht das zurückhaltender aus: »Die im Aftermarket verkauften Akkus liegen im Verhältnis zu verkauften E-Bike-Systemen im einstelligen Prozentbereich«, weiß Tamara Winograd, Leiterin Marketing und Kommunikation bei Bosch EBike Systems. Sven Bauer, CEO des deutschen Zulieferers BMZ erklärt: »Wir haben in den letzten 10 Jahren etwa 2,5 Millionen E-Bike-Akkus und Ladegeräte ausgeliefert. Der Verkauf von Ersatzteilen in diesem Bereich macht etwa 2 Prozent aus.«
Es sieht also so aus, als wäre die Fahrradbranche technisch und strukturell auf einem guten Weg, was die Nachhaltigkeit in puncto Energiespeicher anbelangt. Zum einen ist es allerdings wohl erst der Anfang des Weges, was das Volumen der einbezogenen Akkus anbelangt, zum anderen sind aktuell Netzwerke aus Beteiligten gefragt, die sich um weitere Zusammenhänge jenseits des eigentlichen Recyclings kümmern, um beispielsweise Strukturen für einen Markt an wenig verbrauchten Batterien zu schaffen. Dass der kommen muss, ist gerade bei einer Branche wichtig, die zu einem Teil von ihrem ökologischen Image lebt.

2. Juni 2022 von Georg Bleicher

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