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Kunde ruft an: Ist ihr Lächeln zu hören?
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Schulung - Kundenkontakt am Telefon

Kunde ruft an: Ist ihr Lächeln zu hören?

Kunden, die Fahrradhändler telefonisch kontaktieren, sind ein Gewinn für jedes Unternehmen. Sie müssen nicht mehr akquiriert werden und haben einen konkreten Bedarf, den sie nun decken möchten. Mitarbeiter im stationären Handel betrachten das Thema »Erstkontakt am Telefon« trotzdem oft noch als Nebensache. »Telefonieren kann jeder«, ist die einhellige Meinung. Eine fahrlässige Fehleinschätzung, denn so werden Fehler beim telefonischen Kundenkontakt kontinuierlich reproduziert. Dabei wäre es leicht, den Telefonkunden schon beim ersten Kontakt davon zu überzeugen, den Weg in den stationären Handel zu gehen. Geschickte Verkäufer und Händler kennen die Werkzeuge, die sie dafür ansetzen müssen.

»Der Online-Handel wird seinen Umsatz 2017 um rund zehn Prozent auf 48,7 Milliarden Euro steigern. Das entspricht knapp zehn Prozent des Umsatzes im deutschen Einzelhandel«, so der Handelsverband Deutschland (HDE) im Mai letzten Jahres. Der Onlinehandel legt also weiter zu. Für den stationären Handel ein Problem, gegen das Verkäufer wie Händler jeden Tag ankämpfen. Gleichzeitig vernachlässigen sie oft Chancen der Abgrenzung zum Onlinehandel. Ein Beispiel: Telefongespräche mit Kunden führen in vielen Unternehmen immer noch ein Schattendasein. »In meinen Projekten habe ich relativ oft die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter und auch Eigentümer von Unternehmen der Meinung sind, sie können alles und telefonieren sei ja wohl die leichteste Tätigkeit«, konstatiert Dr. Christian Zich, Professor für internationales Marketing- und Vertriebsmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Deggendorf. Gerade Erstkundenkontakte per Telefon sind aber Gold wert. Hier entscheidet sich oft, ob der Kunde den Weg in den stationären Handel findet oder nicht.

Kein Kunde darf hintangestellt werden

Sind Händler oder Verkäufer gerade in einem Verkaufsgespräch vor Ort, empfinden viele von ihnen das Klingeln des Telefons als lästig und störend. »Der Laden ist voll, die Kunden vor Ort gehen vor«, ist meist ihr Gedanke. Die Handelsfachwirtin und Trainerin Helga Janka, die seit 18 Jahren u.a. bei der IHK Akademie München und Oberbayern Auszubildende darin fortbildet, kundenorientierte Telefongespräche zu führen, schlägt für diese knifflige Situation folgende Lösung vor: »Zuerst sollte der Verkäufer den Kunden vor Ort fragen, ob dieser einverstanden ist, dass er kurz ans Telefon geht. Wenn ja, sollte er den Kunden am anderen Ende der Leitung freundlich begrüßen. Danach bietet sich eine Gesprächsvariante an, die sicher gut bei ihm ankommt: ›Ich bediene gerade einen Kunden. Ich möchte mir Zeit für Sie nehmen. Darf ich Sie in 20 Minuten zurückrufen?‹«
Dr. Christian Zich schließt sich ihrer Meinung an und bringt eine weitere Lösungsvariante ins Spiel: »Man kann diesen Konflikt auch so lösen, indem jedem Kunden die Möglichkeit geboten wird, auf dem Anrufbeantworter des Händlers eine Nachricht zu hinterlassen. Auch eine Ansage am Telefon kann die Wertschätzung des Kunden transportieren. Beispiel: ›Wir würden jetzt gerne mit Ihnen telefonieren, denn jeder Kunde ist uns wichtig. Leider rufen Sie gerade außerhalb unserer Geschäftszeiten an oder wir können gerade nicht ans Telefon gehen. Hinterlassen Sie uns doch bitte eine Nachricht, wir rufen so schnell wie möglich zurück.‹« Dass der angekündigte Rückruf dann auch erfolgen muss, versteht sich von selbst. »Im Regelfall innerhalb von 24 Stunden, dies gebietet die Professionalität«, ergänzt Professor Zich, der 2014 eine Gemeinschaftsstudie zum Thema Telefongespräche im Sportfachhandel herausbrachte, die nach der Mystery-Calling-Methode erstellt wurde und 100 Telefonate umfasste.

Fokus liegt auf dem Bedarf des Kunden

Inhaltlich solle der Verkäufer oder Händler schon während des Telefonats herausfinden, was das konkrete Bedürfnis des Kunden ist, sind sich die beiden Fachleute einig. Ein bloßer Verweis auf die Öffnungszeiten und die Einladung, doch auf eine Beratung vorbeizukommen, ist meist zu kurz gegriffen. Während der telefonischen Beratung sollte man den Kunden auf Augenhöhe behandeln und nie zu viel Wissen seitens des Kunden voraussetzen. »Gerade Experten neigen dazu, mit Fachbegriffen um sich zu werfen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob der Kunde einen versteht oder nicht.« Trainerin Helga Janka, die diese Auffassung des Professors teilt, lenkt den Blick auch auf die Emotionen der Kunden, die entscheidender als technische Daten seien: »So ist es beispielsweise wichtig, ob der Kunde mit seinem neuen Fahrrad eine Deutschland-Tour plant oder damit seine täglichen Einkäufe erledigen möchte. Verkäufer sollten aus den Kundenwünschen die Emotionen, die daran gekoppelt sind, herausfiltern und entsprechend beraten. Oder anders formuliert: Die Gefühlsebene zu stärken ist wichtiger als den Fokus auf die Sachebene zu legen. Verschiedene Fahrradmodelle am Telefon vorstellen zu wollen, ist also nicht Erfolg versprechend – schon allein deshalb, weil der Kunde sie ja gar nicht sehen oder anfassen kann.«
Dabei solle sich der Verkäufer unbedingt davor hüten, die Emotionen des Kunden mit seinen eigenen zu verwechseln. So nütze es gar nichts, den Kunden von den eigenen Lieblingsprodukten überzeugen zu wollen, berichtet Professor Zich aus Erfahrung. »In einem Fall versuchte ein Händler mir eine halbe Stunde lang einzureden, dass ich doch bei den Schaltungen ein paar Gramm sparen sollte. Ein anderer meinte, dass ich keine Bar Ends brauche, so was hätte man nicht mehr. Beiden Händlern habe ich nach diesen Erfahrungen für immer den Rücken gekehrt.«

Erfolg versprechende Telefon-Tools

Händler und Verkäufer, die mit Kunden telefonieren, müssen ein spezifisches Manko dieser Gesprächsform ausgleichen: das Fehlen der Mimik. Über sie kann im direkten Gespräch signalisiert werden, dass man dem Kunden interessiert zuhört und ihn wertschätzt, dass man ihm zustimmt, dass man etwas nicht versteht oder eine Aussage anders bewertet. Professor Zich führt Elemente ins Feld, die dazu beitragen, diesen Mangel zu kompensieren: »Auf das Gespräch konzentrieren, aktiv zuhören, zum gegebenen Zeitpunkt das Wichtigste zusammenfassen und vernünftige Zwischenfragen stellen. Damit wird dokumentiert, dass man interessiert ist. Wenn dagegen im Hintergrund Tastaturgeklapper zu hören ist oder der Händler zwischendurch Fragen von anderen Kunden oder Mitarbeitern beantwortet, ist dem Gesprächspartner klar: Hier bringt man ihm keine oder nur eine sehr geringe Wertschätzung entgegen.«
Auch die richtigen Fragetechniken wollen gelernt sein. Dies gelingt in speziellen Schulungen. Wer hier investiert, kann schon bald die Früchte ernten. Für Schulungen spricht auch, dass in den meisten Betrieben die komplette Belegschaft Telefongespräche aus dem Bauch heraus führt. Verbesserungsvorschläge, die untereinander ausgetauscht werden, werden unter diesen Vorzeichen erst gar nicht generiert. Systematisches und methodisches Vorgehen – meist Fehlanzeige!

Telefonschulungen optimieren das Kundengespräch

»Auszubildenden fehlt aufgrund ihrer Jugend die Lebenserfahrung. Sie arbeiten noch an ihrer Persönlichkeit, sind oft unsicher. Manche haben sogar vor Telefonaten mit Kunden richtig Angst. Gleichzeitig sind sie motiviert. Sie wollen alles richtig machen und gut sein«, berichtet die Handelsfachwirtin und Trainerin Helga Janka aus ihrer Praxis. »Mit dem Abnehmen des Hörers sollte bereits die emotionale Gesprächsführung einsetzen. Melde ich mich mit dem Namen des Unternehmens sowie mit Vor- und Nachname, ist der verbale Türöffner gelungen. Der Kunde empfängt das Signal, dass er dort angekommen ist, wo er hin wollte, er spürt, dass er willkommen ist. Im Folgenden geht es dann darum, z.B. über die Sprachmelodie, eine persönliche Beziehung zum Kunden herzustellen.«
Helga Janka rät dazu, neben Auszubildenden auch langjährige Mitarbeiter am Telefon fortzubilden: »In guten Schulungen bekommen diese die Möglichkeit, ihr Verhalten am Telefon wieder einmal zu reflektieren. Diese Reflexion, die über die Jahre oft verloren geht, ist sehr wichtig. Sie zeigt auf, welche Verhaltensweisen sich mit der Zeit eingespielt haben, die den kundenorientierten Qualitätsansprüchen entgegenstehen und oft unbewusst ablaufen: Stress führt z.B. zu Abwehrmechanismen, die sich auch in sprachlichen Negationen ausdrücken können und den Kunden auf Abstand halten.« Dieses negative Ergebnis wird noch dadurch verstärkt, dass sich Anrufer in aller Regel nicht für die Alltagsschwierigkeiten ihres Gegenübers interessieren. »Gleichzeitig spüren sie aber schnell, ob sie nur als Störfaktor wahrgenommen werden.« Fazit: Nur eine positive, kundenorientierte Kommunikation führt den Kunden vom Telefon in den stationären Handel. Misslingt sie, geht der Kunde schnell wieder verloren.
Ein wichtiger Teil der Fortbildungen sei deshalb die Gesprächsanalyse anhand von Aufnahmen eigener Telefonate. »Erst, wenn man sich selbst hört, erkennt man, ob man den notwendigen Qualitätskriterien gerecht wurde. Kommt mein Lächeln beim Kunden an? Ja, auch ein Lächeln kann man hören. Formuliere ich positiv? Höre ich zu? Berate ich im Sinne des Bedarfs des Kunden? Wichtige Fragen, die selbstkritisch zu beantworten sind.«

Und nach Abschluss des Telefonats?

Wer den Hörer auflegt und ins nächste Kundengespräch geht, steht kurz darauf vor dem nächsten Problem: Nur selten können später alle Inhalte des Telefonats erinnert werden. Deshalb sollte folgende Maxime gelten: Nach dem Telefonat folgt die Nachbereitung. In spezielle Formulare für Gesprächsnotizen, die dann auch abgeheftet oder – falls sie in elektronische Form vorliegen – abgespeichert werden, sollte sofort eingetragen werden, »was besprochen und was versprochen wurde. Nichts ist unprofessioneller und macht einen schlechteren Eindruck als vergessene Versprechen. In der Kindererziehung gibt es da einen ganz einfachen Spruch: Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen«, resümiert Professor Christian Zich.

19. Februar 2018 von Dorothea Weniger
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