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#mehrAchtung

Neue Verkehrssicherheitsinitiative in der Kritik

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Die gestern gestartete, neue Initiative des Verkehrsministeriums mag gute Absichten haben, stößt in der nun vorgestellten Umsetzung aber auf umfassende Kritik.

Gestern stellten das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat die neue Initiative #mehrAchtung vor. Diese Verkehrssicherheitsinitiative im Rahmen der Kampagne „Runter vom Gas“ möchte, ihren Teil dazu beitragen, dass die Verkehrsteilnehmer entspannter unterwegs sind.
Gelingen soll dies mit dieser Achtsamkeitskampagne, die für mehr Rücksicht und Respekt im Umgang der verschiedenen Verkehrsteilnehmer wirbt. „Verkehrssicherheit ist Teamarbeit. Mit unserem Pakt für Verkehrssicherheit werben wir für einen rücksichtsvollen Umgang miteinander – ob auf dem Fahrrad oder Motorrad, zu Fuß, in Bus, Lkw oder Auto. Wir alle sind gefordert, wachsam zu sein und für ein gutes Miteinander auf Straßen und Radwegen zu sorgen. Wir brauchen #mehrAchtung im Straßenverkehr – mehr Aufmerksamkeit, Rücksicht und Respekt“, wird Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing in der Pressemitteilung dazu zitiert.

Die Botschaften der Initiative werden über Kampagnenmotive mit dem Abbinder „Bringen wir #mehrAchtung auf die Straße“ und Leitsätzen wie „Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit“ oder „Auto, Rad, Lkw. Wir sitzen alle im selben Boot“ transportiert. Sie werden bundesweit auf digitalen Außenflächen, in Print-Medien und den sozialen Medien zu sehen sein und sollen alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer erreichen.
„Wir freuen uns, mit #mehrAchtung ein neues Kapitel der erfolgreichen „Runter vom Gas“-Kampagne aufzuschlagen. Die innere Haltung ist im Straßenverkehr ein besonders wichtiges Thema. Wer Respekt und Rücksicht im Auto, in der Bahn, zu Fuß oder auf dem Fahrrad lebt, ist gelassener und damit sicherer unterwegs“, ergänzt DVR-Präsident Manfred Wirsch.

Kritik von Zukunft Fahrrad

So hehr die Ziele der Kampagne sein mögen, so verfehlt sind die Mittel und die Zuschreibung der Verantwortlichkeiten dazu, kritisiert allerdings der Verband Zukunft Fahrrad. Vor allem zwei Punkte stoßen dem Leiter Politik bei Zukunft Fahrrad, Alexander Rosenthal, auf:
„Wir sehen diese Kampagne aus folgenden Gründen kritisch: In der Kampagne wird die Verantwortung für Verkehrssicherheit den Bürgerinnen und Bürgern individuell übertragen, etwa mit solchen Statements: ‚Oft ist es das eigene Verhalten und die innere Einstellung, die darüber entscheiden, wie sicher wir unterwegs sind – ganz gleich ob zu Fuß, mit dem Rad, auf dem E-Scooter oder im Auto.‘ Wir glauben nicht, dass es in der Hauptsache die innere Einstellung ist, die Radfahrer oder Fußgänger sicher ans Ziel bringt. Stattdessen wäre es originäre Aufgabe der politisch Verantwortlichen durch einen besseren politischen Rahmen für mehr Sicherheit zu sorgen. So muss das Straßenverkehrsgesetz dafür dringend reformiert und die Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs reduziert werden. In der Initiative 'Lebenswerte Städte und Gemeinden' haben sich 742 Kommunen zusammengefunden, die vor Ort die Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs reduzieren wollen, dies aber aufgrund der aktuellen Bundesgesetzgebung nicht dürfen. Der Verkehrsminister hat diese Initiative ebenso wie alle anderen Bemühungen in diese Richtung bisher abtropfen lassen. Das wäre ein wirklich relevanter Hebel um ganz konkret für mehr Sicherheit und weniger schwere Unfälle zu sorgen. Das kann und wird eine Kampagne für mehr Achtsamkeit nicht erreichen.“

» Wir glauben nicht, dass es in der Hauptsache die innere Einstellung ist, die Radfahrer oder Fußgänger sicher ans Ziel bringt.«

Alexander Rosenthal
Leitung Politik, Zukunft Fahrrad

Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen die Gleichsetzung der verschiedenen Verkehrsträger.
„Alle Verkehrsmittel stehen in dieser Kampagne in gleicher Verantwortung nebeneinander. An keiner Stelle wird erwähnt, dass ein Großteil der Unfälle im Straßenverkehr mit Verletzten oder sogar Toten durch Kraftfahrzeuge verursacht wird. Stattdessen wird das Problem in der Kampagne so beschrieben: ‚Doch bei etwa 300.000 Unfällen werden Menschen verletzt oder getötet. Allein im Jahr 2022 sind 2.776 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben gekommen.‘ Hier stehen alle Verkehrsmittel gleichberechtigt nebeneinander.
Wenn wir allerdings die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das vergangene Jahr betrachten, auf die sich offenbar auch die Kampagne bei den ‚etwa 300.000 Unfällen‘ beruft, dann sehen wir: bei 75 Prozent dieser Unfälle mit Personenschaden ist ein Kraftfahrzeug hauptverantwortlich (215.765 von 287.752). An dieser Stelle hätte es unserer Ansicht nach definitiv eines Hinweises bedurft, wie sich die Unfälle zusammensetzen, andernfalls ist das Verantwortungsdiffusion.“

VSF pflichtet der Kritik an der Kampagne bei

Auch der VSF hält die neu gestartete Kampagne für einen eher fragwürdigen Versuch, für mehr Sicherheit auf den Straßen zu sorgen: „Der bloße Aufruf zu mehr Rücksicht wird nicht zu weniger Unfällen auf unseren Straßen führen. Das ist eine kommunikative Nebelkerze, die davon ablenkt, dass die längst überfällige Kehrtwende in der deutschen Verkehrspolitik noch immer nicht vollzogen ist. Wir brauchen endlich ein Straßenverkehrsrecht, welches die Bevorzugung des Autos beendet, vielmehr Fahrrad, ÖPNV und Fußgängern Vorfahrt einräumt und Tempo 30 innerorts zur Regel macht. Dafür werden wir weiter streiten!“, erklärt VSF-Frontmann Uwe Wöll in einer Stellungnahme.

26. Mai 2023 von Daniel Hrkac

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