
Gastbeitrag von Ernst Brust
Sicherheitsanforderungen müssen überdacht werden
Pedelecs sind im Alltag und insbesondere im Gelände wesentlich höheren Belastungen ausgesetzt als bislang angenommen. Messungen zeigen, dass insbesondere Mountain-Pedelecs extremen Spitzenbelastungen ausgesetzt sind, die das Sechs- bis Zehnfache der statischen Lasten erreichen können. Auch Lasten-Pedelecs müssen erheblichen Kräften standhalten, insbesondere durch Zuladung und Fahrbahnunebenheiten. Vor diesem Hintergrund fordert der Sachverständige Ernst Brust eine Überarbeitung der Prüfverfahren und die verpflichtende Prüfung von verwendungsfertigen Fahrzeugen, nicht nur einzelner Bauteile.
Messungen im realen Fahrbetrieb
Um die tatsächlichen Belastungen an verschiedenen Pedelec-Typen zu erfassen, wurden Messungen mit Dehnungsmesstreifen (DMS) und hochsensiblen Sensoren durchgeführt. Diese erfassten Kräfte, Momente und Vibrationen während der Fahrt, unter anderem auf einem speziellen Testparcours, der praxisnahe Belastungen simuliert.
Die Daten belegen, dass nicht die Muskelkraft des Fahrers die kritische Größe für die Konstruktion eines Pedelecs ist, sondern vielmehr die Stoßbelastungen durch Fahrbahnunebenheiten, Sprünge und Bremsmanöver. Besonders problematisch ist, dass ungeübte Fahrer ihr Pedelec im Gelände mit bis zu viermal höheren Kräften belasten als erfahrene Fahrer – ein Sicherheitsrisiko, das bisher unterschätzt wurde.
Auch Lasten-Pedelecs sind betroffen: Hier wirken nicht nur die dynamischen Kräfte durch Fahrbahnstöße, sondern zusätzlich die Belastungen durch hohe Zuladung. Dabei wurden besonders sehr hohe Bremskräfte bei maximaler Beladung festgestellt. Ein Lasten-Pedelec muss auch bei voller Zuladung sicher fahrbar sein und darf nicht durch Überlastung oder ein Versagen der Rahmen-Gabel-Einheit zum Risiko für den Fahrer werden.
Kopfsteinpflaster, Sprünge und hohe Zuladung
Die Untersuchung zeigt, dass insbesondere schlechte Straßenverhältnisse, wie Kopfsteinpflaster oder grobe Schotterwege, erhebliche Auswirkungen auf die Belastung von Pedelecs haben. City-Pedelecs und Lasten-Pedelecs, die regelmäßig auf solchen Untergründen gefahren werden, müssen entsprechend robust konstruiert sein, um Materialermüdung zu verhindern.
Auch Sprünge führen zu extremen Belastungsspitzen: In einigen Tests kam es zu plastischen Verformungen an Lenker und Sattelstütze. Die Prüfbedingungen der aktuellen Normen sind für die realen Belastungen insbesondere bei Mountain-Pedelecs und Lasten-Pedelecs nicht ausreichend. Die Kräfte sind oft zu niedrig angesetzt, und die Belastungsrichtungen weichen von den tatsächlichen Fahrbedingungen ab.
Forderung nach praxisnahen Prüfstandards
Die aktuellen Normen für Pedelecs müssen überarbeitet und an die realen Belastungsszenarien angepasst werden. Gefordert ist, dass nicht nur einzelne Bauteile, sondern das gesamte verwendungsfertige Fahrzeug getestet wird. Es reicht nicht aus, einzelne Komponenten zu prüfen. Die Sicherheit des gesamten Pedelecs – insbesondere unter realen Belastungen – muss im Mittelpunkt stehen.
Hersteller, die auf eine detaillierte Erfassung von Betriebsdaten setzen, können ihre Produkte gezielter optimieren und sicherstellen, dass diese auch unter extremen Bedingungen zuverlässig funktionieren.
Fazit: Mehr Sicherheit durch realistische Prüfbedingungen
Die detaillierte Kenntnis der auf ein Pedelec einwirkenden Belastungen ist entscheidend für eine sichere Konstruktion. Die Studie zeigt, dass moderne Prüfverfahren stärker auf reale Nutzungsszenarien ausgerichtet werden müssen, um Materialversagen und Unfälle zu vermeiden. Dies betrifft sowohl Alltags-Pedelecs als auch speziell für den Geländeeinsatz konzipierte Mountain-Pedelecs sowie Lasten-Pedelecs.
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